Keine Verschwörung weit und breit

Ausschuss zur Entlassung des Gedenkstättenleiters Knabe tritt auf der Stelle - und wird verlängert

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses zur Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen soll nach dem Willen der Opposition in die Verlängerung gehen. Eigentlich hätte der mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD im Februar eingesetzte Ausschuss, der sich mit den Hintergründen der Entlassung des Leiters der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, beschäftigt, seine Arbeit bis Ende des Jahres abschließen sollen. Wie »nd« am Dienstag aus dem Ausschuss erfuhr, soll er nun auf Antrag von CDU und FDP im Abgeordnetenhaus um weitere sechs Sitzungen bis Ende März verlängert werden.

Das ist umso erstaunlicher, als die Oppositionsparteien mit ihrem ursprünglich an den Untersuchungsausschuss geknüpften Anliegen auf der Stelle treten. Zur Erinnerung: Der Ausschuss sollte nach dem Willen der Opposition den Nachweis erbringen, dass Knabe vor zwei Jahren von Kultursenator Klaus Lederer (Linke) aus politischen Motiven hinterhältig geschasst wurde. Die Rede war von einem »Untersuchungsausschuss Lederer«, zu dem man den Ausschuss machen wolle. Ein halbes Jahr später ist davon nicht viel übrig.

Erneut zeigte sich das bei der Ausschusssitzung am Dienstag. Denn auch bei der Zeugenbefragung der inzwischen sechsten Sitzung des parlamentarischen Gremiums bestätigte sich, dass es keine Intrige des Linke-Politikers Lederers gegen den erklärten Linke-Hasser Knabe war, die den Gedenkstättenleiter zu Fall brachte. Vielmehr musste Knabe gehen, weil er nicht entschieden genug gegen die sexuelle Belästigung mehrerer Mitarbeiterinnen durch seinen langjährigen Stellvertreter eingeschritten war.

Die Vorwürfe gegen Knabes Vize Helmuth Frauendorfer seien »erdrückend« gewesen, berichtete dem Ausschuss etwa Birgit Neumann-Becker, die seit 2017 Mitglied im Stiftungsrat der Gedenkstätte ist. Man habe im Stiftungsrat der Gedenkstätte 2018 »erschüttert festgestellt«, dass Knabe ein »Verständnis dessen, was an Vorwürfen da war«, abgegangen sei. Die Entscheidung, Knabe freizustellen, sei in dem Gremium aufgrund des Vertrauensverlustes letztlich »einstimmig gefallen«, so die großer Linksparteinähe unverdächtige Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Ein mindestens ebenso wenig vorteilhaftes Bild von Knabe zeichnete am Dienstag die zweite Ausschusszeugin. Tanja Gottschalk, seit Gründung der Gedenkstätte für das Haus zuständige Mitarbeiterin in der Berliner Kulturverwaltung, sprach mit Blick auf Knabes Stellvertreter zugleich von einer »Regelhaftigkeit von Machtmissbrauch und sexuellen Belästigungen«. Knabe selbst seien die Vorwürfe spätestens 2016 bekannt gewesen. Dass, so Gottschalk weiter, die Beschwerdeführerinnen »aus Angst vor beruflichen Repressalien um Vertraulichkeit gebeten« haben, sei wenig verwunderlich. Schließlich seien Frauendorfer und Knabe »sehr vertraut« miteinander umgegangen. »Es war schon teilweise wirklich seltsam.«

Auf die Frage des CDU-Abgeordneten Hans-Christian Hausmann, ob es eine »Zielvorgabe« der Senatskulturverwaltung gab, Knabe »loszuwerden«, antwortete Gottschalk kurz und knapp: »Nein«. Auch Mutmaßungen über eine - wie der AfD-Vertreter Martin Trefzer sich ausdrückte - »Kriegserklärung« Lederers an die Gedenkstättenleitung wies sie sichtlich irritiert zurück.

Keine Verschwörung weit und breit: Diese nun zum wiederholten Mal bestätigte Version der Geschichte freilich könnte sich in der folgenden Ausschusssitzung Ende September schon ganz anders anhören. Dann nämlich ist der ehemalige Gedenkstättenleiter Knabe selbst als Zeuge geladen.

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