- Berlin
- Marsch für das Leben
Selbstbestimmt gegen rechts
Bündnis mobilisiert gegen christlich-fundamentalistischen Aufmarsch
Am Samstag findet der »Marsch für das Leben« statt. Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung hat den Tag zum Aktionstag erklärt und zu einer Gegenveranstaltung eingeladen. Warum?
Das machen wir schon seit einigen Jahren, seit dieser sogenannte Marsch für das Leben in Berlin stattfindet. Uns geht es darum, zu zeigen, dass diese Anti-Choice-Bewegung der Abtreibungsgegner*innen immer größer wird und mittlerweile sehr viele Leute zu diesem Marsch kommen. Das sind nicht einfach Menschen, die Schwangerschaftsabbrüche nicht toll finden. Die Bewegung ist zutiefst misogyn; die AfD ruft zur Teilnahme auf, und da laufen rechtsextreme Kräfte mit. Das ist extrem beängstigend. Gleichzeitig wollen wir diesen Tag umdeuten. Wir sind gegen erstarkende rechte Kräfte und gegen die Anti-Choice-Bewegung, haben aber auch eigene Positionen: Wir sind für die Abschaffung des Paragrafen 218, der Schwangerschaftsabbrüche verbietet, und für die Abschaffung von Paragraf 219 a, mit dem Ärzt*innen wegen angeblichen Werbens für Schwangerschaftsabbrüche verurteilt werden. Das soll, ebenso wie viele andere Forderungen, an diesem Tag an eine breitere Öffentlichkeit getragen werden.
Die Aktivistin engagiert sich beim Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung. Seit dessen Gründung 2012 kämpft das Bündnis gegen die von christlich-fundamentalistischen Gruppierungen angestrebte Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Mit Niethammer sprach Birthe Berghöfer.
Der vom Bundesverband Lebensrecht organisierte Marsch versammelt extrem Religiöse, Fundamentalist*innen und rechte Gruppen. Ist dieses Jahr auch eine Vermischung mit Teilnehmer*innen der Corona-Proteste zu erwarten?
Wir haben darüber nachgedacht und denken, dass es dazu kommen wird. Gerade weil die AfD alle willkommen heißt, die sie so einfangen kann. Allerdings behaupten die sogenannten Lebensschützer*innen immer, die seien »für das Leben«. Wenn auf dem Marsch nun Leute ohne Masken mitlaufen, macht es das schwerer, diese Aussage zu verteidigen.
In den vergangenen Jahren konnte der »Marsch für das Leben« durch Sitzblockaden aufgehalten werden. Was ist dieses Jahr geplant?
Wir vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung machen auf jeden Fall nur eine stehende Kundgebung vor dem Brandenburger Tor. Es gibt aber berlinweit noch andere Aktionen, und es kann gut sein, dass es da zu Sitzblockaden kommt.
Das Motto der Kundgebung ist »Leben - Lieben - Selbstbestimmt«. Welche Themen erwarten uns?
Es geht vor allem um die Abschaffung von Paragraf 218, den Frauen nächstes Jahr bereits seit 150 Jahren bekämpfen. Dieses Jubiläumsjahr wollen wir am Samstag ein wenig einleiten. Schwangerschaftsabbruch ist aber nicht nur ein Frauenthema, es betrifft auch trans Männer und nicht binäre Personen. Wir wollen außerdem klarmachen, wie wichtig es ist, internationale Kämpfe der Pro-Choice-Bewegung zu verbinden. Und natürlich gehen wir für die Akzeptanz verschiedener Lebensentwürfe und Formen des Zusammenlebens auf die Straße.
In vielen Ländern sprechen Anti-Choice-Bewegungen Menschen zunehmend das Recht auf Selbstbestimmung ab. Hat der Aktionstag dieses Jahr eine ganz besondere Relevanz?
In Brasilien wurde vor wenigen Wochen das restriktive Abtreibungsgesetz weiter verschärft, und auch in Polen drohen immer wieder neue Restriktionen für ungewollt Schwangere. In den USA wird mit dem Thema Abtreibung Wahlkampf geführt. Dass Rechtsextremismus und Faschismus in Deutschland und auch in vielen anderen Ländern auf dem Vormarsch sind, haben dieses Jahr hoffentlich viele Menschen endlich realisiert. Auch deshalb ist unsere Kundgebung enorm wichtig, denn sie setzt ein klares Zeichen gegen rechts.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.