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Die royale Kugel schnöde desinfiziert
Das Start-Village der Frankreichrundfahrt gibt es trotz Corona weiterhin. Man entdeckt sogar Neues
Je tiefer man in die Blase der Tour de France eintaucht, desto normaler erscheint einem nicht nur diese artifizielle Welt. Man entdeckt auch immer mehr Dinge und Gewohnheiten, die sich aus den Zeiten vor der Pandemie in die aktuelle Situation herübergerettet haben. Eine dieser Sachen ist das Start-Village, das kleine Dorf mit Imbissständen und PR-Buden der Sponsoren. Bei den Radprofis war es immer beliebt, weil sie hier kurz vor dem Start noch einen knackigen Kaffee zu sich nehmen und miteinander plaudern konnten, bevor es dann ins Rennen ging. In diesem Jahr reicht die Hygieneblase der Fahrer nicht bis in dieses Startdorf. Sie müssen bei ihren Bussen bleiben.
Immerhin aber existiert das Village selbst weiter. Menschen mit Akkreditierungskarten um den Hals, meist sind es Organisatoren, ein paar Journalisten und einige VIPs, werden durch das Tor gelassen. Dort man muss die Hände desinfizieren - das ist neu. Innen drin ist die Anzahl der Stände zwar zurückgegangen. Aber Kaffee und Madeleines, Wasser und Cola, ja sogar Wein gibt es weiterhin. Ausgeschenkt wird hinter den allseits bekannten Plexiglasscheiben.
Auch einige Animationsangebote sind zu entdecken, sogar ein paar neue wie das synthetische Petanque-Feld. »Hier, fass an! Das sind Plastikkugeln. Aber man kann mit ihnen Petanque spielen«, ruft Alexis Tanguy. Er ist selbst Petanque-Spieler, nach eigenen Angaben französischer Vizemeister und WM-Teilnehmer in diesem Jahr. Im Start-Village der Tour de France, das wie die Fahrer täglich weiterreist, baut er jedes Mal sein künstliches Petanque-Areal auf: einen etwa zwei Meter breiten und zehn Meter langen Teppich, auf dem man dann die Kugeln mit Schwung platzieren kann. »Gewicht und Durchmesser der Kugeln entsprechen den Wettkampfnormen«, erklärt Tanguy. Etwa 50 Personen haben an diesem Morgen schon sein Angebot angenommen. »Es macht den Leuten Freude. Es ist ja auch ein schönes Spiel«, erzählt er. Petanque mit geliehenen Kugeln in Pandemie-Zeiten - geht das denn überhaupt? »Natürlich geht das. Wir desinfizieren die Kugeln nach jedem Spiel. Es ist alles korrekt. Und es hat niemand Angst«, beruhigt Tanguy.
Für die Gesellschaft der Petanque-Spieler ist er das ganze Jahr unterwegs, wirbt für den urfranzösischen Sport auf ungewohntem Kunststoffbelag am Rande von Stadtfesten, Messen und Firmenevents. Und jetzt eben bei der Tour. Zum Start in Nizza hat sich sogar Monacos Prinz Albert auf eine Runde eingelassen. Früher wäre dessen Kugel nach der royalen Berührung wohl ins Museum gekommen oder versteigert worden. Jetzt wurde sie nur schnöde mit Desinfektionsmittel bestäubt - so sieht Animation in Corona-Zeiten bei der Tour de France aus.
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