Kaum befasst?

Die ehemalige Verfassungsschützerin Frau H. erklärt ihr Wirken im Breitscheidplatz-Ausschuss.

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.

Fast zwei Jahre ist es her, dass im Breitscheidplatz-Untersuchungsausschuss des Bundestags ein Eklat die Gemüter erhitzte. Nach rund einem halben Jahr war aufgefallen, dass als Vertreterin der Bundesregierung ausgerechnet die ehemalige Verfassungsschützerin Frau E. H. im Ausschuss aktiv war. Frau H. war erst kurze Zeit im Innenministerium eingesetzt und kam aus einer Abteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, deren Arbeit große Überschneidungen mit dem Thema hatte.

»Jemanden mit einem solchen Insiderwissen zu entsenden, widerspricht den Verfahrensgrundsätzen und Regeln für Untersuchungsausschüsse«, sagt Martina Renner, die für die Linksfraktion als Obfrau im Ausschuss arbeitet. Dennoch will sie Frau H. keinen Vorwurf machen. »Wahrscheinlich trifft Frau H. persönlich keine Schuld. Ihre Entsendung dürfte von ihren Vorgesetzten im Innenministerium forciert worden sein.« Von Vorgesetzten, denen entweder Absicht unterstellt werden kann oder denen es an Problembewusstsein mangelt. »Uns trat das Ministerium mit einer Mischung aus Arroganz, Ignoranz und Respektlosigkeit entgegen. Ein Problembewusstsein war in keiner Weise erkennbar«, beschrieb Fritz Felgentreu, Obmann der SPD, damals das Auftreten der verantwortlichen Beamten.

Zeugin E. H. sagte am späten Donnerstagabend nun zu ihrer Tätigkeit aus. Als Referatsleiterin sei sie zuletzt im Bundesamt für Verfassungsschutz eingesetzt gewesen. In der Vorbereitung auf den Ausschuss habe sie beim Aktenstudium nur ganz wenige Bezüge zum Fall gefunden. Teilweise sei es nur der Vorname »Anis« gewesen, erklärt Zeugin E. H. vor den Parlamentariern. Zweifel bleiben dennoch, denn Anis Amri dürfte H. durchaus in ihrer Arbeit begegnet sein. »Wer sich mit dem Fall Boban S. im Rahmen des Abu-Walaa-Verfahrens befasst hat, dem ist Anis Amri quasi in die Akten gelaufen«, ordnet Renner ein. Die technischen Möglichkeiten, für die der Verfassungsschutz immer wieder Budgetaufstockungen erhalten hat, lassen sich für die Visualisierung von Kontaktnetzwerken und Themenkomplexen nutzen. »Diese Techniken sind seit Jahren im Einsatz und Teil der Aktenführung«, so Renner.

Nach dem Anschlag arbeitete Zeugin H. dicht am Fall. Sie fertigte Gesprächszettel für die parlamentarische Staatssekretärin im Innenministerium an, beantwortete Kleine Anfragen aus dem Parlament und stellte auch die Akten für den Untersuchungsausschuss zusammen, dem stets handverlesene Dokumente vorgelegt werden, die einen umfassenden Schwärzungsprozess durchlaufen haben. Ihre vorangegangene Tätigkeit im Bundesamt für Verfassungsschutz wirkt doppelt belastend, da das Innenministerium, aber auch der damalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen in öffentlichen Äußerungen ein problematisches Bild zeichneten. So hieß es von Thomas de Maizière, die einzige Bundesbehörde, die mit dem Fall des Attentäters je befasst war, sei das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gewesen. Maaßen gab sich alle Mühe den Eindruck zu erwecken, ausschließlich die Polizeien der Länder seien im Vorfeld mit dem Fall des späteren Attentäters befasst gewesen.

Zeugin E. H. hatte im Ausschuss über mehrere Monate an geheimen sowie an nicht öffentlichen Planungssitzungen teilgenommen, in denen die Parlamentarier*innen das weitere Vorgehen besprachen, Zeugenvernehmungen und eine langfristige Ermittlungsstrategie planten. Auch in den öffentlichen Sitzungen führte an E. H. kein Weg vorbei, was besonders bei der Vernehmung der Zeugin Lia Freimuth aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz auffiel.

In der Kritik steht im Ausschuss auch die Ermittlungsarbeit des Bundeskriminalamtes. In den vergangenen Sitzungen zeigten sich bei der Spurenauswertung deutliche Lücken, die unnötig viel Raum für Spekulationen über die Täterschaft Anis Amris geben.

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