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Polizist droht mit Waffeneinsatz
Vorfall am Sonntag in Dresden wird zum Politikum
Bei einer antirassistischen Demonstration der »Seebrücke«-Bewegung in Dresden ist es am Sonntag zu einem schwerwiegenden Vorfall gekommen. Ein Dienstgruppenleiter der Polizei drohte während einer Protestaktion einem Kundgebungsteilnehmer mit den Worten: »Schubs mich, und du fängst dir ne Kugel.« Dabei zog er seine Waffe ein Stück aus dem Holster. Zuvor hatten sich mehrere Aktivisten mit einem Transparent auf die Straße gestellt und einen Rauchtopf gezündet. Der Beamte stand während seiner Drohung dicht vor dem Transparent. Den Rauchtopf hatte er mit den Füßen in Richtung Demonstranten gestoßen. Ein Video der entsprechenden Szene kursiert im Internet und sorgt derzeit für heftige Diskussionen.
Da ist etwa die Perspektive der Polizei. Danach habe der Einsatzleiter den genannten Satz zwar gesagt, dabei jedoch lediglich »seine Hand über seine Dienstwaffe gelegt«. Aus der Gruppe der Aktivisten sei nämlich ein Nebeltopf geworfen worden, der Einsatzleiter habe sich dann entschieden, »alleine den Nebeltopf als Beweismittel zu sichern«. In der Folge hätten ihn 25 bis 30 Versammlungsteilnehmer »bedrängt«. Der Beamte habe einen »Stoß in Brusthöhe« verspürt und daraufhin seine Hand über die Pistole »gelegt«, um »vorsorglich eine Wegnahme seiner Dienstwaffe zu verhindern«. Einen Anlass für disziplinarrechtliche Schritte sehe man nicht, so Polizeipräsident Jörg Kubiessa.
Diese Sicht ist mit den vorliegenden Videoaufnahmen nur schwer in Einklang zu bringen. Auch die Dresdner Gruppe »Undogmatische Radikale Antifa« hatte der Darstellung in einer eigenen Mitteilung widersprochen. Der Polizist habe demnach nicht die Pyrotechnik sichern wollen. »Der Einsatzleiter läuft gezielt auf den Rauchtopf zu und tritt diesen in Richtung der Demonstrierenden«, schreiben die Antifaschisten. Auch hätten die Aktivisten den Beamten nicht wie beschrieben bedrängt. »Weniger als ein Dutzend Personen stand an der Stelle«, an der der Einsatzleiter war und das Transparent »herunterzureißen« versuchte.
Eine weitere Falschaussage sei, dass der Einsatzleiter nur seine Pistole gesichert habe. »Der Einsatzleiter trat bewusst einen Schritt zurück und legte eben nicht schützend seine Hand über die Dienstwaffe, sondern hob sie einige Zentimeter aus dem Holster an, ehe er sie wieder zurückfallen ließ.« Die »Lügen« der Polizei seien »Schutzbehauptungen«, resümieren die Antifaschisten.
Die Ereignisse in Dresden haben nun auch ein politisches Nachspiel. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte am Montag den Beamten in Schutz genommen. »Man darf Aktion und Reaktion nicht verwechseln«, sagte er gegenüber Medien. Der Polizist sei umringt gewesen von Menschen, »die potenziell als Angreifer und Gewalttäter einzustufen sind«. CDU-Politiker Marian Wendt erklärte: »Ein mutiger Polizist geht auf eine gewaltbereite und vermummte Gruppe zu, um zu deeskalieren.« Er sei »unterlegen«, doch »soll er zurückschrecken oder auch einmal Stärke zeigen (...)?«
Andere Politiker hinterfragten dagegen das Vorgehen der Polizei. Der sächsische SPD-Landtagsabgeordnete Albrecht Pallas schrieb am Montag, dass das Verhalten der Beamten Fragen aufwerfe. Er habe daher einen Fragenkatalog an das Landesinnenministerium gerichtet. Auch Pallas weist auf Widersprüche zwischen der Darstellung des Geschehens durch die Polizei und den Videomitschnitten hin. Zudem will der Abgeordnete wissen, ob die Polizeidirektion Dresden dabei bleibe, »dass es keine disziplinarischen Ermittlungen« gegen den Polizisten geben wird.
Auch die sächsische Linksfraktion wies darauf hin, dass es hohe Hürden gibt, bevor Polizisten den Schusswaffeneinsatz androhen dürfen, und forderte eine Aufarbeitung des Einsatzes. »Manchmal ist es auch für einen Ministerpräsidenten besser, mal den Mund zu halten und nicht alles zu kommentieren – dann entstehen nicht solche Falschmeldungen«, sagte der Fraktionsvorsitzende Rico Gebhardt.
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