- Politik
- Robert Jarowoy
Verlust für Hamburgs Linke
Zum Tod von Robert Jarowoy
Mit dem Tod Robert Jarowoys verliert die Hamburger Linke eine ihrer kreativsten, aber wohl auch schillerndsten Persönlichkeiten. Er starb vor einigen Tagen im Alter von 67 Jahren nach einer längeren Krebserkrankung. Schon von der Krankheit gezeichnet, sammelte er noch Unterschriften für das Bürgerbegehren »Keine Rendite mit der Miete«. Noch einen Tag vor seinem Tod nahm Jarowoy, schon sehr geschwächt, an einer Wahlversammlung der Hamburger Linken zum Bundesparteitag teil. 2008, als die Linke die ersten Sitze in der Bezirksversammlung Altona errang, wurde er zum Vorsitzenden der Fraktion gewählt.
Robert Jarowoy wurde im Dezember 1952 bei Nürnberg geboren. Ab 1970 studierte er Philosophie und Geschichte. Beeinflusst von der APO-Bewegung, radikalisierte er sich politisch, wurde laut Gerichtsurteil Mitglied der »Bewegung 2. Juni« und 1973 wegen Raubüberfällen verurteilt. Bis 1979 war er inhaftiert, davon vier Jahre in Isolation. Diese Zeit habe er durch das Schreiben überstanden, berichtete er. So veröffentliche er nach seiner Haftentlassung mit dem früheren APO-Aktivisten Fritz Teufel die »Märchen aus der Spaßgerilja«. Später schrieb er Krimis, deren Themen er aus dem politischen Alltag im Bezirk Altona schöpfte. Beruflich betätigte er sich als Händler von Bio-Käse, vorher war er Geschäftsführer einer Genossenschaft, die mit Naturkost handelte.
»Ich habe Robert Anfang der 1970er Jahre kennengelernt, damals in der Szenekneipe ›Gewinde‹ im Karolinenviertel«, erinnert sich Wolfgang Ziegert von der Altonaer Linken. Die Themen, die im Keller der Kneipe diskutiert wurden, entsprachen dem Zeitgeist: Revolution, aber keine »friedliche«. Der Theorie folgten bald die Taten. Nach seiner Freilassung führte Jarowoy den in Konkurs gegangenen Verlag Association weiter. Dieser hatte vor allem Texte sozialistischer und anarchistischer »Abweichler« wie etwa Victor Serge veröffentlicht. Der neue Association-Verlag gab unter anderem den subversiven Ratgeber »Lieber krank feiern als gesund schuften« heraus. Es folgten Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen.
1980 zog Jarowoy in das damalige Arbeiterviertel Ottensen mit einem hohen Anteil an Migranten. Auf die kurdische Problematik wurden er und seine Frau Beate Reiss, die bereits 2018 verstarb, aufmerksam, als in einer Darmfabrik im benachbarten Bahrenfeld die Arbeiter streikten, darunter viele Kurden. Aus diesen Kontakten entstand die Kurdistan-Hilfe, die von ihm und Beate Reiss mit gegründet wurde. Cansu Özdemir, mit kurdischen Wurzeln und Vorsitzende der Bürgerschaftsfraktion der Linken, erinnert sich: »Robert ist in der kurdischen Community sehr beliebt und sehr bekannt. Alle kannten ihn und haben ihn als Freund des kurdischen Volkes kennengelernt. Er hat jedes Jahr Delegationsreisen nach Kurdistan organisiert. Auch bei Militärkontrollen behielt er immer die Nerven. Er war immer ein aufopfernder Genosse, so ist er.«
Mit seinem freundlich-verschmitzten Lächeln und seinem weißen Rauschebart konnte er auch Kontrahenten für sich einnehmen. Die Freundlichkeit täuschte nicht, doch Jarowoy besaß zugleich einen scharfen analytischen Verstand, sprach ohne Manuskript. Er konnte durchaus polarisieren, so Bürgerschaftsabgeordneter Norbert Hackbusch (Linke): »Wir haben auch gestritten, zum Beispiel während einer Mitgliederversammlung über die Bedeutung des Brexit. Er hatte Verständnis für die Engländer, ich nicht. Ich habe gesagt, das ist idiotisch.« 2002 trat Jarowoy der PDS bei, so Ziegert: »Er hat auch später die Verhandlungen mit der WASG geführt, die zur Konstituierung der Linken in Hamburg führten. Dass die Linke sich in Hamburg etablieren konnte, daran haben Ate (Beate Reiss, d. Red.) und er auch intensiv gearbeitet.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.