Nicht nur einzelne Soldaten

MAD-Chef Gramm hat Extremismus zu wenig bekämpft und muss gehen.

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.

Fünf Jahre stand Christof Gramm an der Spitze des Militärischen Abschirmdienstes, des kleinsten unter den deutschen Geheimdiensten, der speziell für Gefahrenabwehr innerhalb der Bundeswehr, also in ihren Reihen selbst, zuständig ist. Am Donnerstag reiste seine Chefin, Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, eigens ins MAD-Hauptquartier nach Köln, um Gramm die Entlassung ab Oktober mitzuteilen. Seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ist für den 62-Jährigen nichts anderes als das - die Entlassung.

Eine persönliche Anreise der Ministerin zu diesem Zweck erscheint dennoch recht ungewöhnlich. Es entsteht der Eindruck einer im Moment der Trennung um Milde bemühten Chefin. Auch ihre Begründung klingt nicht vorwurfsvoll: Der neue Abschnitt im Kampf gegen extremistische Tendenzen bei der Bundeswehr und bei der Modernisierung des MAD erfordere »zusätzliche Anstrengungen und Dynamik«.

2017 hatte das Ministerium dem MAD den Auftrag erteilt, den Verhältnissen in der Bundeswehr auf den Grund zu gehen, die zu einer ständig wachsenden Zahl von Vorkommnissen mit rechtsextremistischem Hintergrund führten. Die zuständige Ministerin, damals noch Ursula von der Leyen, machte die Innere Führung der Bundeswehr zum Thema der öffentlichen Debatte, eine bis dahin wohlgehütete Tabuzone. Ob und welche Widerstände von der Leyen und später, nach Übergabe an Annegret Kramp-Karrenbauer, diese in den Reihen und an der Spitze des MAD verspürten, darüber kann nur spekuliert werden. Dass sie mit ihrem resoluten Vorgehen einen schweren Stand nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in den Reihen der Bundeswehr hatten, zeigte sich bald. Im Oktober 2019 wurden Reformen des MAD eingeleitet, die nach Einschätzung des Verteidigungsministeriums mittlerweile auch Ergebnisse zeitigten. Die Aufklärung von Vorfällen im Kommando Spezialkräfte gingen Berichten zufolge auch auf Ermittlungen des MAD zurück.

Diese Vorkommnisse und dass sie vor allem über die Medien das Licht der Öffentlichkeit erreichten, brachten die Ministerin freilich erneut in Zugzwang. Tausende Schuss Munition, nicht auffindbarer Sprengstoff sowie rechtsextreme Umtriebe in den Reihen der Eliteeinheit führten zur Auflösung einer Kompanie. Christof Kramm, der von Haus aus Jurist, kein Militär ist, war nach Ansicht von Kritikern dem seit Jahrzehnten üblichen Mantra gefolgt, dass nicht die Bundeswehr, sondern einzelne Soldaten ein Rechtsextremismusproblem hätten. Für die Ambitionen seiner Ministerin ist dies inzwischen offenkundig zu wenig. Kommentar Seite 8

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