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Triumphzug der Lädierten
Niederländischer Doppelerfolg im WM-Straßenrennen der Frauen in Imola
Stürze gehören zum Berufsrisiko von Radprofis. Zum Job gehört es, sie zu vermeiden. Aufgabe ist aber auch, trotz Stürzen noch in Kämpfe um Medaillen und Trikots einzugreifen. Mit selbst für diesen harten Sport ungewohnter Schmerzverachtung demonstrierten dies am Samstag auf dem Motorsportkurs von Imola in Italien die neue Weltmeisterin Anna van der Breggen und die Zweitplatzierte Annemiek van Vleuten.
Van der Breggen, frischgebackene Zeitfahrweltmeisterin, stürzte bei der ersten Umfahrung des 28 Kilometer langen Rundkurses. Sie wirkte zwar nicht verletzt, musste aber schon früh in eine Verfolgungsjagd gehen. Attacken des Gastgeberinnenteams und der US-Amerikanerinnen erschwerten ihr kurzzeitig dieses Vorhaben. Sie schloss dann aber auf. Bis zur vorletzten Runde hielt sie sich dann eher versteckt. Etwa 41 Kilometer vor dem Ziel nutzte sie aber Tempoverschärfungen ihrer beiden Teamgefährtinnen Marianne Vos und Annemiek van Vleuten zum Absprung. »Ich wusste, es ist noch eine längere Strecke bis zum Ziel, als das Zeitfahren überhaupt lang war. Aber ich bin mein Tempo gefahren und konnte damit einen Unterscheid ausmachen«, sagte sie im Ziel. Gelassen meinte sie auch: »Ob es der richtige Zeitpunkt für eine Attacke war, weiß man erst, nachdem man sie gemacht hat.«
Sie hatte offenbar den richtigen Moment erwischt und durfte sich in Imola das Regenbogentrikot überstreifen. Von dem Sturz zu Beginn war dann keine Rede mehr.
Größere Schwierigkeiten bei der Siegerzeremonie hatte hingegen Landsfrau van Vleuten. Die neue Vizeweltmeisterin hatte sichtliche Mühe, den Blumenstrauß entgegenzunehmen. Sie hatte sich vor wenigen Tagen noch beim Giro Rosa, dem Giro d’Italia der Frauen, bei einem Sturz ein Handgelenk gebrochen. Mit dickem Verband trat sie zum Rennen an - an sich bereits ein kleines medizinisches Wunder. Beim Rennen selbst schien sie das bandagierte Handgelenk kaum zu stören. Sicher steuerte sie durch die Abfahrten. Ihr Speed bergauf war Abschussrampe für van der Breggen. Und bei der Verfolgung der späteren Weltmeisterin spaltete sie nicht nur die Gruppe und verminderte so deren Schlagkraft. Sie kontrollierte auch die Italienerin Elisa Longo Borghini. Bei einem Zusammenschluss mit van der Breggen hätten die beiden Niederländerinnen auch einen taktischen Vorteil gegenüber Longo Borghini gehabt. Im Zielsprint schließlich balancierte van Vleuten sogar noch einen versuchten Ellenbogencheck ihrer italienischen Konkurrentin aus und wurde knapp Gesamtzweite. Eine enorme Leistung. Nur bei der Blumenübergabe bei der Siegerehrung drohte ihr das lädierte Handgelenk den Dienst zu versagen. Welch eine Geschichte.
Wie überlegen die Oranje-Frauen an diesem Tag waren, illustriert auch, dass Marianne Vos den Sprint der zweiten Verfolgergruppe gewann und Vierte wurde, kurz vor der tapferen Liane Lippert. Die 22-jährige Friedrichshafenerin schloss ein taktisch gutes Rennen der deutschen Equipe, die lange Ex-Vizeweltmeisterin Lisa Brennauer in die erste Fluchtgruppe geschickt hatte, mit dem aktuell wohl bestmöglichen Ergebnis ab. Ohne Niederländerinnen dürfte Lippert sich Vizeweltmeisterin nennen.
Diese Nation bestimmt nun aber schon seit Längerem den Frauenradsport. In den letzten vier Jahren holten die Frauen und Mädchen von den Deichen alle Regenbogentrikots im Straßenrennen und drei der vier möglichen im Zeitfahren. In den letzten neun Jahren gewannen sie insgesamt sechs Titel im Straßenrennen und deren vier im Zeitfahren. Siegen lernen von Oranje kann hier nur die Botschaft lauten. Denn selbst gehandicapt sind sie offensichtlich nicht zu schlagen.
Bei anderen Nationen sorgen Missgeschicke hingegen schon dafür, dass Medaillen außer Reichweite gelangen. Das Zeitfahren der Männer musste Ex-Toursieger Geraint Thomas ganz ohne seinen Radcomputer bestreiten. Er beklagte die fehlenden Informationen und machte sie auch dafür verantwortlich, dass er Bronze knapp verpasste. Sein Team Ineos konnte sich immerhin über die Goldmedaille des Lokalmatador Filippo Ganna freuen. Der kam ganz ohne irgendwelche Pannen zum Erfolg.
Die Serie der Irritationen in Imola setzte sich dann aber mit dem Straßenrennen der Männer fort. Wegen eines positiven Coronatests musste der mitfavorisierte Kasache Alexey Lutsenko absagen. Der Test wurde am 25. September gemacht, fünf Tage nach dem Ende der Tour de France, an der er teilnahm. Ob die Infektion bei der Tour verursacht wurde, der Zeitraum macht dies immerhin möglich, wurde bislang nicht bekannt gegeben. Ebenfalls wegen einer Corona-Infektion musste die Usbekin Olga Zabelinskaya auf den Start im Straßenrennen verzichten. Die Auswirkungen des Durchmischens der Team-Hygiene-Blasen mit den nationalen Blasen wird man erst bei den folgenden Tests in den nächsten 14 Tagen ablesen können.
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