Jugendliche trifft es als Erste

Der Arbeitsmarkt in der Region fängt sich in einigen Branchen, für viele andere bleibt es weiterhin brenzlig

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

Bernd Becking, Leiter der Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg, nimmt zur Lage von Tausenden Berliner Jugendlichen kein Blatt vor den Mund. »Sie sind die Letzten, die reinkommen, und die Ersten, die fliegen«, sagt Becking über die vielen Menschen ohne Schul- und Berufsabschluss. »Sie sind chancenlos in der Krise.« Und selbst jungen Leuten, die ihre Ausbildung in dieser Zeit abschließen, setzen die Verwerfungen der Pandemie besonders zu: »Krisenbedingt werden sie nicht übernommen, wenn Sozialpläne erstellt werden, sind sie als Erstes von Kündigungen betroffen, weil sie keine Familie zu versorgen haben«, sagt Becking zu »nd«.

18 324 Menschen zwischen 15 und 25 sind in der Hauptstadt zur Zeit arbeitslos, das sind fast 5800 mehr als vor einem Jahr - ein Zuwachs um 46 Prozent. In Brandenburg sind es mit 7389 nur 28,7 Prozent mehr als im September 2019. »Und da sind die, die nicht erfasst sind, weil sie keine Leistungen beziehen, oder sie sich nicht arbeitslos melden, noch nicht einmal mit drin«, so Becking weiter - die Lage sei vermutlich deutlich dramatischer. Man dürfe einfach keine jungen Leute mehr ohne Abschluss aus der Schule entlassen, schlussfolgert der Arbeitsagenturchef. Dies sei eine zentrale Erfahrung aus der Krise.

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Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Linke) forderte die Berliner Betriebe vor diesem Hintergrund dazu auf, gerade in der Coronakrise die laufenden Ausbildungen zu Ende zu führen, um die Ausbildungskrise nicht noch zu vergrößern. Deshalb übernimmt das Land dieses Jahr die Kosten für die sogenannte überbetriebliche Lehrlingsunterweisung in der Grundstufe der Verbundausbildung, berichtet die Senatorin. Das ist ein wesentlicher Bestandteil der Ausbildung vieler Handwerksberufe in oft kleinen Betrieben.

Beckings Regionaldirektion hat am Mittwoch die Arbeitsmarktzahlen für den September vorgelegt. Trotz der leichten Herbstbelebung kann von einer Entwarnung keine Rede sein. Zwar sank in Berlin die Zahl der arbeitslosen Menschen im September um 14 300, die Arbeitslosenquote gingt von 10,7 auf 10,5 Prozent zurück. Brandenburg zählt 6400 weniger Arbeitslose, die Arbeitslosenquote ging damit von 6,4 auf 6,2 Prozent zurück.

In vielen Branchen ist die Lage weiter desaströs. Im Veranstaltungsbereich, in der Gastronomie und im Tourismus herrschten nach wie vor große Probleme, erklärte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, Christian Amsinck, anlässlich der Bekanntgabe der Arbeitsmarktzahlen. »Bei vielen gehen die Reserven zur Neige.«. Trotzdem, so Unternehmensvertreter Amsinck, komme »der Arbeitsmarkt schneller auf die Beine als gedacht«.

Das liegt unter anderem daran, dass viele Menschen derzeit in systemrelevante Berufe wechseln - besonders groß ist der Bedarf nach wie vor bei Pflegekräften und Erzieher*innen. Konkret vergegenwärtigen kann man sich das anhand der diesjährigen Bewerber*innenzahlen bei Vivantes, dem größten Ausbildungsbetrieb für Gesundheitsberufe in Berlin: Mehr als 1500 Bewerbungen für 180 Pflege-Lehrstellen vermeldete das landeseigene Unternehmen am Mittwoch. Das seien 500 Interessierte mehr als im Vorjahr. »Ob dies daran liegt, dass die Systemrelevanz unserer Pflege vielen Menschen seit der Corona-Pandemie bewusster geworden ist, können wir nicht sagen«, sagt Vivantes-Personalmanagerin Dorothea Schmidt. Die Krisenerfahrung spiele bei der Neuorientierung eine Rolle, meint Bernd Becking. »Wer aus dem Dienstleistungsbereich kommt, ist im Pflegebereich gut aufgehoben«, sagt er zu »nd«.

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