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Projektionsfläche für dunkle Fantasien
Mit dem Tag der Clubkultur soll unter Beweis gestellt werden, wie verantwortungsvolles Feiern geht
Es ist viel von Verantwortung die Rede am Mittwoch am neuen Standort des Technoclubs »Griessmühle« im Treptower Ortsteil Niederschöneweide. »Ich erlebe seit Anbeginn der Pandemie ein höchst verantwortungsvolles Handeln der Clubs«, sagt etwa Kultursenator Klaus Lederer (Linke), als er ebendort zusammen mit Vertreter*innen der Clubszene für den Tag der Clubkultur wirbt.
Mit dem für diesen Samstag angesetzten berlinweiten Event wollen die Betreiber*innen von 40 Berliner Clubs und Kollektiven mit verschiedensten Veranstaltungen »ein entschiedenes Lebenszeichen in existenzbedrohenden Zeiten« senden, so die Initiatoren. Daher auch das Motto: »Wir sind noch da!« Für »ihr jahr- bis jahrzehntelanges Engagement in der Berliner Clubkultur« erhält dabei jeder der unter 90 Bewerbungen ausgewählten Veranstalter einmalig 10 000 Euro. Insgesamt lässt sich die Kulturverwaltung das Lebenszeichen also 400 000 Euro kosten.
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Nun könnte man spontan an einen etwas unglücklich gewählten Zeitpunkt für einen Tag der Clubkultur denken. Schließlich wurde in der Politik selten so viel von Partys gesprochen, wobei angesichts steigender Infektionszahlen vor allem eindrücklich vor ihnen gewarnt wird. Die Kernbotschaft: Teufel Alkohol. Erst vor einer Woche hatte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) das »Clubgeschehen« unter Generalverdacht gestellt, für die hohe Zahl der Corona-Infektionen wesentlich mitverantwortlich zu sein. In den Berliner Clubs laufe »manches illegal«, erklärte Kalayci, ohne Beispiele zu nennen.
»Mir ist nicht bekannt, dass sich Frau Kalayci häufig in Clubs bewegt«, sagt Lutz Leichsenring, Sprecher der Berliner Clubcommission, die den Tag mitorganisiert. Wie Senator Lederer verweist auch er auf ein »verantwortungsvolles« Feiern, das - anders als bei »wilden Raves« in Parkanlagen - nicht zuletzt in Clubs gewährleistet sei. »Ich hoffe, dass uns der Tag der Clubkultur hilft, dass stärker differenziert wird zwischen Privatpartys und Clubs, die ein stark kuratiertes Programm anbieten«, sagt Leichsenring zu »nd«.
Klaus Lederer selbst geht noch einen Schritt weiter. Der Versuch, die steigenden Infektionszahlen allein auf die Feiernden zu schieben, »hilft uns nicht weiter, vernebelt nur den Blick und stigmatisiert«, so der Schirmherr des Tags der Clubkultur. Was die in der Öffentlichkeit kursierenden Vorstellungen vom »Clubgeschehen« angeht, so spricht er von »Vorurteilen« und »Projektionsflächen für dunkle Fantasien«. Die Ansteckungsgefahr bei privaten Feiern sei jedenfalls um »ein Vielfaches« höher als bei »dem, was am Sonnabend geboten wird«.
Bei all der Feier des kuratierten Feierns wird allerdings auch deutlich, dass ein Ende der De-facto-Schließung der Clubinnenräume so bald nicht in Sicht ist. Der Senat wolle den Veranstaltungsorten helfen, wo immer es geht, um sie über die coronabedingte Durstrecke zu retten. Aber, so Lederer: »Es geht nicht darum, die Clubs aufzumachen.«
Mit Verweis auf das aktuelle Infektionsgeschehen hatte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) schon am Dienstag erklärt: »Das heißt auch, dass die Leichtigkeit oder Leichtsinnigkeit des Sommers tatsächlich endgültig vorbei ist, und das müssen wir sehr deutlich konstatieren.« Klar sei, dass jetzt nicht der Zeitpunkt sei »für weitere Lockerungen«, so Pop weiter. Parallel dazu gab der Senat denn auch neue »Obergrenzen« für private Feiern bekannt. Demnach sind Partys im Freien mit mehr als 50 Teilnehmern künftig verboten. In geschlossenen Räumen darf die Teilnehmerzahl 25 nicht überschreiten. Gelten sollen die Verschärfungen ab Samstag.
Dass das auch der Tag der Clubkultur ist, ist purer Zufall - die Planungen hierfür laufen seit zwei Monaten.
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