Gerichtsbeschluss: Kein Helfer, kein Mittäter

Im Lübcke-Prozess wird der Mitangeklagte Markus H. in die Freiheit entlassen.

  • Joachim F. Tornau
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Prozess um den rechtsextrem motivierten Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ist am Donnerstag eine Vorentscheidung gefallen. Der Staatsschutzsenat des Frankfurter Oberlandesgerichts hob den Haftbefehl gegen den Mitangeklagten Markus H. auf und entließ den 44-Jährigen damit in die Freiheit.

Zur Begründung erklärte das Gericht, es bestehe nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme »kein dringender Tatverdacht« mehr gegen den militanten Kasseler Neonazi - nicht wegen der Beihilfe zum Mord, die Markus H. in der Anklage zur Last gelegt wird, und erst recht nicht wegen einer Mittäterschaft, wie sie der Hauptangeklagte Stephan Ernst seinem langjährigen Freund und rechtsextremen Kameraden in seinem aktuellen Geständnis vorgeworfen hatte.

Dirk Metz, Sprecher der Familie Lübcke, nannte den Beschluss eine »kaum erträgliche Entscheidung«: Die Familie sei weiterhin überzeugt, dass Markus H. beim Mord dabei gewesen sei. Das sieht die Bundesanwaltschaft zwar anders. Doch auch sie hält die Freilassung für falsch. Oberstaatsanwalt Dieter Killmer kündigte deshalb an, Beschwerde gegen den Haftbeschluss einzulegen. Darüber müsste dann der Bundesgerichtshof befinden.

Laut der Bundesanwaltschaft soll Markus H. nicht in den Tatplan eingeweiht gewesen sein, seinem Freund einen politischen Mord aber zugetraut haben. Und er habe billigend in Kauf genommen, Ernst in diesem Tatentschluss zu bestärken, wenn er mit ihm das Schießen geübt oder zu rechten Demonstrationen gefahren sei. »Bedingter Vorsatz« nennt sich das - und ist nicht leicht nachzuweisen.

Nach Ansicht des Senats ist dieser Nachweis bei Markus H. gescheitert. Die vor zwei Wochen als Belastungszeugin angehörte Ex-Freundin des Neonazis habe ihre entsprechenden Aussagen relativiert und auch auf die Einlassungen von Stephan Ernst könne man sich nicht stützen. In klaren Worten machte das Gericht deutlich, was es von den wechselhaften Angaben hält, die der mutmaßliche Mörder von Walter Lübcke in seinen inzwischen drei verschiedenen Geständnissen gemacht hat: gar nichts. Was Ernst über die Rolle von Markus H. gesagt hat, beurteilten die Richter*innen durchweg als »nicht glaubhaft« - egal, ob er zunächst nur behauptet hatte, in seinem mörderischen Hass auf den CDU-Politiker und dessen liberale Haltung in der Flüchtlingspolitik von Markus H. angestachelt worden zu sein, oder ob er vor Gericht schließlich davon sprach, die Tat gemeinsam mit seinem Mitangeklagten geplant und begangen zu haben.

Der Senat verwies nicht nur auf zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten in den Aussagen von Stephan Ernst, sondern auch auf das bislang noch nicht bekannte Ergebnis von Nachermittlungen, die das Gericht in die Wege geleitet hatte. Demnach kann ein von dem 47-Jährigen geschildertes Treffen im April 2019, bei dem die Entscheidung zum Mord endgültig gefallen sei, nicht wie berichtet stattgefunden haben.

Sollte das Gericht seine Meinung bis zum Ende des Prozesses nicht mehr ändern, droht Markus H. lediglich noch die Verurteilung wegen eines Waffendelikts: Er soll verbotenerweise den Griff eines - ansonsten unbrauchbar gemachten - Maschinengewehrs besessen haben. Mehr als eine Geldstrafe müsste er dafür wohl nicht befürchten.

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