Wie sich die AfD fast selbst abschafft

Eskalierende Machtkämpfe, Austritte, schlechte Umfragen und dann auch noch der Verfassungsschutz: Die AfD verliert beständig an Boden. Doch trotz Niederlagen bleibt die extrem rechte Partei weiter gefährlich, warnt Robert D. Meyer.

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Zwischen all den Meldungen über aufgelöste Fraktionen, Parteiaustritte und einen Ex-Pressesprecher, der Migranten »vergasen« würde, ging eine Nachricht als Randnotiz fast unter: AfD-Parteichef Jörg Meuthen erklärte kürzlich, nicht für den Bundestag kandidieren zu wollen. Hinter der Entscheidung dürfte weniger die Begeisterung über seine hierzulande kaum wahrnehmbare Arbeit als EU-Abgeordneter stecken als viel mehr politisches Kalkül. Meuthen erspart sich und der AfD eine hässliche Kampfabstimmung um den Spitzenplatz auf der Bundestagsliste seines Landesverbandes Baden-Württemberg.

Der 59-Jährige hätte wohl ausgerechnet mit Alice Weidel, Co-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, um Platz eins konkurriert. Für den Unterlegenen wäre es nicht ohne politischen Gesichtsverlust ausgegangen. Da Weidel auf die Unterstützung der im Südwesten starken völkischen Nationalisten zählen kann, standen Meuthens Chancen schlecht. Weder einen beschädigten Parteichef, noch eine Fraktionsvorsitzende kann sich die AfD ein Jahr vor der Bundestagswahl leisten.

Obwohl Machtkämpfe seit Tag eins zur AfD dazugehören, werden die Auseinandersetzungen derzeit so erbittert wie nie in der siebenjährigen Parteigeschichte geführt. Katalysator für die Entwicklung sind die Entscheidungen der Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern, bei der AfD und ihren Gliederungen genauer hinzusehen.

In der Partei gibt es zwei Lager: Einerseits jene Gruppe um Meuthen, die im Parlamentarismus akzeptiert werden will. Andererseits die völkischen Kräfte um Björn Höcke, die ihre Arbeit in den demokratischen Institutionen nur als Mittel zum Zweck betrachten. Dem Trugschluss, das eine Lager sei deshalb weniger gefährlich als das andere, sollten Demokraten jedoch nicht erliegen. Im Kern gehen die Kämpfe in der AfD auf Strategie- und weniger auf inhaltlichen Dissens zurück.

Die innerparteilichen Konflikte waren für die AfD solange kein existenzielles Problem, wie die Partei von einem Wahlerfolg zum nächsten eilte. Doch diese sind längst nicht mehr garantiert: Aus einer aktuellen Umfrage zur Bundestagswahl geht hervor, dass die AfD in Ostdeutschland innerhalb eines Jahres sechs Prozentpunkte an Zustimmung einbüßte. Zwar kommt die Rechtsaußenpartei im Osten weiterhin auf 18 Prozent, doch wäre sie damit nur noch drittstärkste Kraft.

Dass die AfD nicht nur an ihre Wachstumsgrenzen stößt, sondern zunehmend in den meisten Umfragen auf Länderebene verliert, macht die Partei nervös. Noch bringt es sie aber nicht zu Fall. Im Bund kann sich die AfD auf eine Stammwählerschaft von acht bis zehn Prozent verlassen.

Die größten Gegner der AfD sind ironischerweise ihre eigenen Mitglieder. Nicht zuletzt liegt dies an einer verbreiteten fehlenden Akzeptanz der demokratischen Kultur. Im Fall innerparteilicher Niederlagen reagieren unterlegene Funktionäre oft mit Parteiaustritt oder kehren mindestens ihrer Fraktion den Rücken, zuletzt die kürzlich abgewählte niedersächsische AfD-Landeschefin Dana Guth. Dass sie damit ihrer Partei im Landtag von Hannover den Fraktionsstatus nahm, war als politischer Kollateralschaden im Machtkampf von ihr einkalkuliert. In anderen Parteien muss man lange nach ähnlichen Fällen suchen, in der AfD gehören solche Abtritte mit lautem Knall dazu.

Durch den Druck schwächelnder Umfragewerte dürften sich solche politischen Kamikazeaktionen noch mehr häufen. Neben dem Bundestag werden 2021 auch die Landtage in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und voraussichtlich Thüringen neu gewählt. Überall muss die AfD laut Umfragen mit teils deutlichen Verlusten rechnen. Heftiger Streit um die weniger werdenden sicheren Listenplätze ist vorprogrammiert.

Soll sich diese Entwicklung fortsetzen, ist es den demokratischen Parteien angeraten, sich unmissverständlich von der AfD abzugrenzen. Ereignisse wie in Gera, wo die Rechtsaußenpartei dank Stimmen anderer Fraktionen seit Kurzem den Stadtratsvorsitzenden stellt, dürfen sich ebenso nicht wiederholen, wie eine Neuauflage der Debatte, ob die CDU nicht vielleicht doch mit der extrem rechten Partei koalieren könnte. Genau das würde die AfD nur wieder stabilisieren.

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