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Stau vor den Schlachthöfen

Fleischindustrie will Verbot von Arbeitnehmerüberlassung kippen

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.

Pünktlich zur Anhörung über den Gesetzentwurf zum Arbeitskontrollgesetz am Montag hat die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) auf die gesunkenen Kapazitäten der Schlachthöfe hingewiesen. »Corona und Afrikanische Schweinepest für sich allein genommen stellen den Schweinemarkt bereits vor riesige Herausforderungen. Dass nun beides zusammenkommt, macht die Lage für Ferkelerzeuger und Mäster gleichermaßen dramatisch«, erklärte ISN-Geschäftsführer Torsten Staack. Die Schlachthöfe seien nicht mehr in der Lage, alle schlachtreifen Tiere abzunehmen. »Seit Wochen stagnieren die Schlachtzahlen bei 850 000 bis 870 000 Schweinen pro Woche. Es fehlen rund 50 000 Schlachtungen pro Woche, allein um den Überhang an Schweinen nicht noch größer werden zu lassen. Um den Stau aufzulösen, braucht es noch deutlich mehr«, erklärt ISN-Marktbeobachter Matthias Quaing. Um einen Infarkt der Lieferkette vom Ferkel bis zum Schlachtschwein zu verhindern, müssten die Behörden einen Maximalbetrieb der Schlacht- und Zerlegeunternehmen in allen Bundesländern ermöglichen, forderte die Interessengemeinschaft am Montag, just nachdem der Landkreis Emsland einen neuen Corona-Ausbruch in einem Schlachtbetrieb bestätigte. Einzelne Bundesländer haben bereits mit Ausnahmegenehmigungen reagiert.

Am Montag beschäftigte sich der Arbeits- und Sozialausschuss des Bundestages in einer Expertenanhörung mit den Zuständen in der Fleischindustrie. Durch mehrere Corona-Ausbrüche waren die dortigen Arbeitsbedingungen im Frühjahr wieder in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat daraufhin eine Änderung des Arbeitskontrollgesetzes vorgelegt, die neben dem Einsatz von Werkverträgen auch Leiharbeit in der Fleischwirtschaft verbietet. Zudem sollen Arbeitszeiterfassung und Standards für Gemeinschaftsunterkünfte verbessert sowie feste Quoten für Kontrollen eingeführt werden. Diskutiert werden auch Anträge der Oppositionsparteien.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) warnte am Montag davor, »dem Druck und den Scheinargumenten der Fleischlobby« nachzugeben. Die Branche versuche alles, um noch Schlupflöcher in den Gesetzestext einzubauen, die es den Unternehmen erlaubten, wie bisher durch die »rücksichtslose Ausbeutung von Menschen größtmögliche Profite einzufahren«, sagte der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler am Montag vor der Anhörung. In ihrer Stellungsnahme begrüßt die Gewerkschaft das neue Gesetz ausdrücklich, fordert aber höhere Sanktionen. Die Gewerkschaft schlägt vor, die Höhe der Bußgelder bei Verstößen wie im Datenschutz zu regeln. Der dortige Rahmen der Bußen von zwei bis vier Prozent des weltweiten Umsatzes habe in der Praxis zu einer raschen Umsetzung der neuen Datenschutzverordnung geführt.

Das Argument der Fleischbranche, Leiharbeit sei nötig, um Auftragsspitzen zu bewältigen, will die NGG nicht gelten lassen. »Ein zusätzlicher Bedarf, etwa in der Grillsaison, lässt sich auch durch andere Instrumente, zum Beispiel Arbeitszeitkonten, stemmen«, so Zeitler. In der ganzen Ernährungsbranche seien solche Modelle seit langem erfolgreich. Der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte in seiner Stellungnahme darüber hinaus Verbesserungen bei der Unterbringung. So solle das Mietverhältnis zukünftig nicht mehr von der Dauer der Beschäftigung abhängen, auch sollten alle Unterkünfte die geleichen Standards erfüllen, egal wie lange die Arbeiter*innen beschäftigt sind.

Die Arbeitgeberseite scheint sich mit dem Ende des Werkvertragssystems bereits abgefunden zu haben, kritisiert aber vehement ein Verbot von Leiharbeit. »Das totale Verbot des Einsatzes jeglichen Fremdpersonals in den Kernbereichen der Fleischwirtschaft nimmt den betroffenen Unternehmen die nötige Flexibilität, um sich im europäischen Wettbewerb dauerhaft behaupten zu können«, heißt es in der Stellungsnahme des Verbandes der Fleischindustrie. Hier gebe es auch verfassungsrechtliche Bedenken.

Dabei gab es gleich zu Beginn der Debatte um ein Verbot der Werkverträge Warnungen, die Fleischindustrie habe bereits begonnen, auf Leiharbeit auszuweichen. Damit wäre der Ausbeutung wohl wieder kein Ende gesetzt.

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