Sehenden Auges ins Finanzloch

Die Volleyballer starten mit dem Supercup ihre Saison. Besonders der Meister hadert mit Zuschauereinschränkungen in Berlin.

Jedes zweite Pissoir ist zugeklebt. Die logische Umkehr besagt: Die andere Hälfte kann in der Berliner Max-Schmeling-Halle noch genutzt werden. Nicht nur jedes fünfte Klo also, oder gar nur jedes zehnte. Diese 50-prozentige »Freiheit« sagt viel aus. Die Arena fasst normalerweise mehr als 8000 Menschen, doch in Pandemiezeiten wird weniger Fans Einlass zu Sportveranstaltungen gewährt. Der deutsche Volleyballmeister Berlin Volleys konnte für den Bundesligaauftakt in gut einer Woche 550 Tickets frei verkaufen. Mit wie viel mehr Manager Kaweh Niroomand gerechnet hatte, lässt sich anhand der großen Zahl freier Klos erahnen.

Den öffentlichen Gesundheitsschutz stellt auch Niroomand »an die oberste Stelle«. Trotzdem ist er verärgert über die jüngsten politischen Entscheidungen. Schließlich habe er mit den Füchsen und Fachleuten hart an einem Hygienekonzept gearbeitet, das die Auslastung von 50 Prozent der Halle erlaubt hätte - deswegen ist wohl jede zweite Toilette nutzbar. Eine halbvolle Halle wäre weit mehr als die 20-prozentige Auslastung, die die Gesundheitsminister der Länder jüngst vereinbart hatten. Und noch viel mehr als die 1000 Menschen, die Berlins Senat als Maximum zulässt - inklusive aller Spieler, Betreuer und Hallenmitarbeiter. »Unser Konzept wurde von allen gelobt. Dann aber kam die kalte Dusche, dass die Zahl, die wir hätten erreichen können, nicht akzeptiert wird.«

Wirtschaftlich seien die aktuellen Regularien nicht tragbar, behauptet Niroomand. »Wir machen bei jedem Heimspiel fünfstellige Verluste. Aber das nehmen wir in Kauf, denn wir müssen zeigen, dass der Volleyball noch lebt. Es geht um die Rettung des Sports.« Doch das könne nicht auf Dauer funktionieren, zumal in dieser Saison Zusatzkosten von 60 000 Euro für Coronatests dazukommen. »Da klafft ein Loch von einer halben Million Euro«, so Niroomand.

Immerhin dankte der Manager dem Senat für eine Finanzspritze im Sommer. »Das war eine wichtige Hilfe. Ohne die hätten wir die Lichter ausmachen müssen.« Für die Betreiber des Berlin-Marathons sowie für die Basketball-, Handball- und Volleyball-Bundesligisten der Stadt waren 2,2 Millionen Euro bereitgestellt worden. Wie hoch der Anteil der Volleys war, präzisierte Niroomand nicht, doch hofft er noch, von einem weiteren Paket des Bundes zu profitieren.

Die Volleys sind bei Zuschauerzahlen seit Jahren führend. Das wird dem Meister in der neuen Saison, die am Sonntag mit dem Supercupduell der Berliner bei den United Volleys Frankfurt startet, aber zum Verhängnis. »Wir sind abhängig von Zuschauereinnahmen. Deswegen ärgert mich, dass man sich nicht genug mit dem Konzept auseinandersetzt. Das hat der Sport nicht verdient. Der hat sich bisher auch nicht als Hotspot erwiesen«, sagt Niroomand.

Das vielleicht nicht, doch am Volleyball zieht die Corona-Pandemie auch nicht komplett vorüber. Niroomand selbst war bereits infiziert, und aktuell befinden sich der VC Olympia Berlin und der TSV Unterhaching wegen neuer Fälle in Quarantäne. Eine solche haben die Berliner Volleys nach einer Erkrankung in der Vorbereitung schon hinter sich. Trotz der Unterbrechung erwartet Trainer Cedric Enard, »dass wir uns im Supercup den ersten Titel holen. Letztes Jahr hat uns dieser Sieg viel positive Stimmung gebracht.« National blieben die Berliner seitdem ungeschlagen.

In der vergangenen Saison konnte noch der Pokal, nicht aber die Meisterschaft ausgespielt werden. In der neuen könnten bei weiteren Ausbrüchen sogar noch weniger Pokale verteilt werden, auch wenn Trainer Enard glaubt, dass die Spieler den Ernst der Lage jetzt verstanden hätten: »Sie sind vorsichtiger geworden, aber dafür mussten wir viele Gespräche mit ihnen führen. Sie können nicht einfach in Restaurants gehen oder in die U-Bahn steigen. Sie müssen wissen, dass sie mit nachlässigem Verhalten den ganzen Klub in Gefahr bringen.«

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