Kids hinter Plexiglas
Kompletter Irrsinn: Das Extra zur Pandemie der Serie »South Park«
Die bekannte US-amerikanische Zeichentrickserie »South Park« hat ein »Pandemic Special« herausgebracht. Unter Liebhaberinnen wie Liebhabern dieser Serie war mit einiger Spannung erwartet worden, was denn die Macher um Trey Parker und Matt Stone zur Jetztzeit zu sagen hätten. Immerhin muss man in der ganzen Virusangelegenheit auch den Humor wiederfinden. Die Geschichte um eine Gruppe Kinder der South Park Elementary School bietet seit über 20 Jahren ein hübsches Panoptikum unserer spätkapitalistischen Totalität, durchaus in der Tradition der »Simpsons«, aber ungeschminkter und radikaler. Der Humor der Serie besteht darin, die Gegenwart zu spiegeln und dabei sämtliche Widersprüche in ihrer Brutalität nicht zu glätten, sondern stehen zu lassen. Moralfreiheit ist hier die Grundlage des Witzes. Die Ästhetik - Zeichentrick ist hier noch das angemessene Wort, da die Figuren mit dem Computer so animiert werden, als wären sie aus Tonpapier geschnitten und über den Hintergrund geklebt - diente stets dazu, der Welt ihre eigene Verdinglichung und Entfremdung zu präsentieren, ihr ihre eigene Melodie vorzuspielen.
Von dem »Pandemic Special« hätte man also ein Feuerwerk der surrealen Ereignisse erwarten können. Doch die für »South Park« mit 47 Minuten überlange Folge ist recht brav. WHO, Politik und Medien mit ihren propagandistischen Verlautbarungen werden eher mit zu wenig Spott bedacht. Der Virologe Anthony Fauci bekommt immerhin einen kleinen Auftritt, sein bekanntester Gegenspieler, der Epidemiologe John Ioannides, fehlt hingegen, obwohl sich dessen prägnante Visage für »South Park« bestens geeignet hätte. Zu kurz kommt auch die facettenreiche Verarbeitung der Propaganda durch die Bevölkerung, sei es durch Überaffirmation oder Leugnung. Immerhin hat der psychotisch veranlagte Cartman einen Stock, um seine Mitmenschen auf den Mindestabstand zu halten, bevorzugt seine Mutter im eigenen Haus. Die Bewohner von South Park tragen ihre Maske zunächst nur am Kinn, nicht ohne sich gegenseitig zu ermahnen, dass solch ein Kinnschutz sehr wichtig sei. Es hätte noch mehr gesellschaftlichen Irrsinn als Material gegeben. Dummerweise gibt es stattdessen einen Handlungsstrang mit aufgeblähten Obszönitäten über den Ursprung des Virus.
Das und anderes Überflüssiges weggelassen, passiert Folgendes: Cartman genießt die Schulschließung, bis die Kids, unter Zoom-Gezeter der Eltern, wieder in den Unterricht müssen, isoliert in Plexiglasterrarien und mit dem obligatorischen Mund-Nase-Schutz. Der Polizei wurden die Mittel gestrichen, daher setzt man sie nun als Lehrer ein. Bei der ersten Ruhestörung durch die Schüler eröffnet sie prompt das Feuer und schießt einen schwarzen Jungen an. Der Fall wird als Covid eingestuft, folgerichtig werden die Kinder in der Schule zwangsquarantänisiert, überwacht von den nun mit Knüppeln ausgerüsteten Polizisten - unterlegt von Musik, die John Carpenter nachempfunden ist. Der nervös-sensible Butters dreht durch und wird in Isolationshaft gesteckt, was die Kinder als Anlass für ihre Flucht aus dem Schulgefängnis nehmen. Die Bevölkerung gerät in Panik, die Kinder gelten als Superspreader. Es kommt zu Plünderungen und Massenschlägereien in der durch den Shutdown verödeten Innenstadt. Die Polizei kommt wieder ins Spiel, mit schwerem Kriegsgerät soll sie für Ordnung sorgen.
Soweit passt es: Der Virenausnahmezustand wird in seiner Repressivität gezeigt und geht zwanglos in dem normalen Ausnahmezustand über, den man auch schon vorher kannte. Als die Kids über die Rückkehr zu Normalität sprechen, sagt Cartman zu Stan: »Über welches normal redest Du eigentlich?!« Das wäre wohl die Frage, die sich nach dem Verschwinden der unmittelbaren Angst vorm Virus stellt.
»Pandemic Special« auf Comedy Central
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