Auch enterbte Angehörige dürfen das Testament sehen

Rund um den letzten Willen

  • Lesedauer: 3 Min.

Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Juli 2020 (Az. NotZ (Brfg) 1/19) hervor. Die zuständige Aufsichtsbehörde muss den Notar von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden, wenn der enterbte Hinterbliebene das beantragt. Eine Ablehnung sei rechtswidrig und verletze den Betroffenen in seinen Rechten.

Geklagt hatte der Sohn eines gestorbenen Mannes. Der Vater hatte knapp vier Jahre vor seinem Tod mit seiner zweiten Ehefrau ein Testament aufgesetzt. Danach sollten nur die Kinder aus zweiter Ehe erben.

Der Kläger, ein Sohn aus erster Ehe, erfuhr davon erst bei der Testamentseröffnung. Er will daraufhin beim Notar die beglaubigte Abschrift des Testaments einsehen, die dort noch in den Akten ist. Es gebe Anzeichen, dass Seiten des Originals ausgetauscht worden seien.

Die Aufsicht, in diesem Fall der Präsident des Landgerichts Münster, hatte den Antrag abgelehnt. Die Manipulationsvorwürfe entbehrten »jeder nachvollziehbaren Grundlage«. Das Kölner Oberlandesgericht hatte diese Entscheidung bestätigt.

Zu Unrecht, entschied nun der Bundesgerichtshof. Der Notar sei hier zwingend von seiner Verschwiegenheitspflicht zu befreien. Mit dem Tod des Vaters sei dessen Interesse an Geheimhaltung seines letzten Willens dem Sohn gegenüber entfallen - ob enterbt oder nicht. Dabei komme es nicht darauf an, ob der gesetzliche Erbe aus nachvollziehbaren Motiven über den Inhalt des Testaments informiert werden möchte.

Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass auch der Notar mitspielt. Bisher hatte der Notar dem Sohn die Einsicht verweigert. Die grundsätzliche Klarstellung des BGH bezieht sich nur auf die Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht durch die Aufsicht. dpa/nd

Unterschrift unter notariellem Testament kann unleserlich sein

Ein Testament kann handschriftlich oder bei einem Notar aufgesetzt werden. Auch das notarielle Testament muss vom Erblasser unterzeichnet sein. Die Unterschrift muss aber nicht geeignet sein, den Erblasser zu identifizieren.

Das Oberlandesgericht Köln (Az. 2 Wx 102/20) entschied, dass es aufgrund einer krankheitsbedingten Schwächung genügen kann, wenn der Erblasser versucht, seinen Familiennamen zu schreiben. Selbst wenn die Unterschrift nur aus einem Buchstaben und einer geschlängelten Linie besteht, kann dadurch zum Ausdruck gebracht werden, die notarielle Erklärung als eigene zu wollen.

Im verhandelten Fall haben sich eine Frau und ihr Mann in einem notariell beurkundeten Testament wechselseitig als Alleinerben eingesetzt. Zu Erben des Letztversterbenden wurden die Geschwister des Ehemannes benannt. Die Schlusserbeneinsetzung sollte für den Überlebenden frei veränderbar sein.

Die Ehefrau machte davon nach dem Tod ihres Mannes Gebrauch und bestimmte ihren Großcousin zum Alleinerben. Nach dem Tod der Ehefrau beantragten die Geschwister des Ehemannes einen Erbschein, da die notarielle Niederschrift von der Erblasserin nicht vollständig unterschrieben worden sei.

Zu Unrecht, urteilte das Oberlandesgericht. Mit der Unterschrift werde dokumentiert, dass sich die Beteiligten ihre Erklärungen zurechnen lassen. Ihre Identifizierbarkeit ist nicht Sinn der Unterschrift. Zwar genüge eine bloße Unterzeichnung mit dem Vornamen, hier hingegen hat die Erblasserin zumindest angesetzt, ihren Familiennamen zu schreiben, was in der Urkunde in dem »K« und der einer geschlängelten Linie erkennbar war. dpa/nd

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