Weichgespülter Blick auf ein Land voller Widersprüche

Die Ausstellung »Wir sind Brandenburg« der Landeszentrale für Politische Bildung beschwört vor allem die Erfolge der Einheit

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.

Man wolle zeigen, »wie Brandenburg vor 30 Jahren neu gegründet wurde, welche Themen seither bewegen und beschäftigen und wie die Zukunft aussieht«, heißt es in der Einladung der Landeszentrale für Politische Bildung zur Ausstellungseröffnung. Leiterin Martina Weyrauch sagte am Montag bei einer Vorbesichtigung, es sei ihr ausdrücklich nicht um eine jener Zeitzeugen-Paraden gegangen, die die Ergebnisse der historischen Forschung oft ignorieren und bei denen die Gefahr bestehe, »dass die Dinge anders waren, als sie sie wahrgenommen haben«.

Zugegeben, es muss schwerfallen, angesichts der vielfältigen Rückblicke im Zusammenhang mit dem 30. Einheitsjubiläum tatsächlich noch etwas Neues zu sagen. Zumal eine übersichtliche Zahl an Schautafeln nun praktisch kein Thema auslassen möchte, das in Brandenburg in den vergangenen drei Jahrzehnten auf der Tagesordnung stand. Da ist der wirtschaftliche Umbruch, den viele Menschen einfach nur als Abbruch erlebt haben, vereint mit der Rückkehr der Wölfe und der Nationalparkgründung 1990. Da sind die Beziehungen zu Polen, die »unendliche Geschichte« des Großflughafens BER aber auch die Entwicklung der Wissenschaftseinrichtungen, des Bildungswesens und der Kohleausstieg. Und nicht zuletzt der Massenwegzug aus Brandenburg in den ersten 20 Jahren und die gescheiterte Länderfusion mit Berlin.

Immerhin angedeutet ist auch der merkwürdige Umstand, dass Brandenburg 1990 - wie der gesamte deutsche Osten - eine Neugliederung erfuhr, die aufgrund eines Befehls der sowjetischen Besatzungsmacht von 1945 zustande kam. Brandenburg in seinen heutigen Grenzen ging letztlich auf eine Idee von Josef Stalin zurück und dabei blieb es auch bis 1953, als es zur Bildung der wiederum 1990 aufgelösten DDR-Bezirke kam.

Eine weitere Tafel ist der neuen Landesverfassung und der Volksabstimmung darüber gewidmet, die mit 94 Prozent Zustimmung fast so überwältigend war wie die Abstimmungsergebnisse zu DDR-Zeiten. Keine Erwähnung findet hingegen, dass die CDU-Fraktion damals ihrem Vorsitzenden Peter-Michael Diestel nicht folgte und mehrheitlich gegen die Landesverfassung stimme, die CDU in Brandenburg also nicht direkt als Verfassungspartei gewürdigt werden kann.

Gewürdigt werden dagegen die »Aufbauhelfer« aus Nordrhein-Westfalen. Ihr tausendfacher Umzug nach Brandenburg ermöglichte die rasche Bildung einer Oberschicht, die - im Unterschied zu den Beherrschten - die nun geltende neue Gesetzlichkeit gleichsam mit der Muttermilch aufgesogen hatte. Und es war der Ausgangspunkt dafür, dass die Ostdeutschen bei den Schlüsselpositionen im eigenen Land bis heute vollkommen unterrepräsentiert sind.

Die inoffizielle Landeshymne, das Gustav-Büchsenschütz-Lied »Märkische Heide«, wird auf ihre NS-Karriere abgeklopft. Erinnert wird auch an den albernen Streit um den weißen Adler, der kurz nach Eröffnung des neuen Landtagsgebäudes aus dem Plenarsaal verbannt wurde.

Wie der Titel schon ahnen lässt, mochte auch die neue Ausstellung auf das bereits von vielen vorherigen Einheitspräsentationen so sehr strapazierte Wir-Gefühl nicht verzichten. Dass seit 1990 eine soziale Spaltung der Brandenburger stattfindet, findet sich dafür kaum wieder. Dabei leben große Teile der Bevölkerung in gesicherten Verhältnissen und arbeiten und verdienen unter Bedingungen, von denen jene Mitbürger oft nicht einmal zu träumen wagen, die in schlecht bezahlten Berufen mit geringen Rentenaussichten eine prekäre Existenz führen müssen. Diese Spaltung der Gesellschaft hat sich durch die Corona-Pandemie noch einmal vertieft.

30 Jahre nach der politischen Wende in der DDR wird der Blick der Brandenburger auf die damaligen Ereignisse zunehmend kritischer. Eine Feststellung, die offenbar selbst Brandenburgs Aufarbeitungsbeauftragter Maria Nooke nicht fremd ist. Als sie vor einigen Wochen den Tätigkeitsbericht ihrer Behörde vorstellte, sprach auch sie davon, dass die Ost-West-Animositäten innerhalb Deutschlands wieder zunehmen würden.

Die Ausstellung ist im Gebäude der Landeszentrale in der Heinrich-Mann-Allee 107 (Haus 17) an Wochentagen von 9 Uhr bis 15 Uhr zu besichtigen, dienstags ist bis 18 Uhr geöffnet. Eintritt ist frei.

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