Geld aus dem Wehretat für Geschichtsbild

Potsdamer Aktionsbündnis warnt vor Vereinnahmung des Garnisonkirchprojektes durch die Bundeswehr

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Bemüht sich das Bundesverteidigungsministerium, Einfluss auf ein politisch höchst umstrittenes Bauvorhaben zu erlangen? Will die Bundeswehr die Sicht auf Geschichte und zukünftige Nutzung der Potsdamer Garnisonkirche beziehungsweise von deren derzeit entstehender Kopie mitbestimmen? Davor warnt jedenfalls die »Friedenskoordination Potsdam gegen Militarismus, Nationalismus, Rassismus und Krieg«, ein Aktionsbündnis, in dem sich lokale demokratische Netzwerke, Organisationen, Parteien, Vereine und Einzelpersonen für eine konsequente Friedenspolitik einsetzen, in einem Schreiben, das dem »nd« vorliegt. Darin heißt es, dass sich die Bundeswehr Medienberichten zufolge »finanziell in das umstrittene Projekt« zum Wiederaufbau der Garnisonkirche einmische. Dabei solle die neue Dauerausstellung im Turm der einstigen Militärkirche mit 350 000 Euro aus dem Wehretat des Bundesverteidigungsministeriums finanziert werden.

Wie Michael Meixner, Sprecher des Bündnisses, dem »nd« am Mittwoch sagte, sei der Potsdamer Bundestagsabgeordnete der Linken, Norbert Müller, bei Recherchen auf diesen Vorgang gestoßen. Dass die Bundeswehr die im neuen Garnisonkirchturm geplante Dauerausstellung mit 350 000 Euro fördern wolle, hatte kurz darauf ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums dem Evangelischen Pressedienst (epd) bestätigt. Ein entsprechender Betrag sei im Haushaltsentwurf für 2021 enthalten, hieß es da. Ob, in welcher Form und in welcher Höhe die Mittel ausgezahlt werden können, sei aber noch offen und abhängig von einem ausstehenden Antrag der Stiftung Garnisonkirche an das Verteidigungsministerium und noch laufenden Gesprächen zum Thema.

Barockkirche und Militarismussymbol

Die Hof- und Garnisonkirche war eine evangelische Kirche in der historischen Mitte Potsdams. Erbaut im Auftrag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. nach Plänen des Architekten Philipp Gerlach (1730-1735), galt sie als ein Hauptwerk des norddeutschen Barocks.

Am 21. März 1933, dem »Tag von Potsdam«, machte der greise Reichspräsident Paul von Hindenburg im Zuge eines Staatsakt Adolf Hitler hier »per Handschlag« salonfähig.

1968 ließ die DDR die im April 1945 bei einem gegen militärische und wirtschaftliche Ziele gerichteten alliierten Bombenangriff beschädigte Kirche als Symbolbau des preußischen Militarismus sprengen und abtragen.

Der knapp 90 Meter hohe Turm der Garnisonkirche wird seit 2017 am historischen Standort an der Ecke Breite Straße/Dortustraße neu aufgebaut. Er soll voraussichtlich 2022 fertiggestellt sein. tm

Die Ausstellung soll sich auf 300 Quadratmetern Fläche mit der Geschichte des historischen Ortes beschäftigen. Dass dabei die Vorstellungen, was in den Fokus einer derartigen Einrichtung gehört, rasch auseinanderdriften, zeigte sich im September bei der vom »Lernort Geschichte« der Martin-Niemöller-Stiftung im Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum unmittelbar neben der Kirchbaustelle eröffneten Ausstellung »Rechtsradikale Einschreibungen«, die heftige Kritik des Vorsitzenden des wissenschaftlichen Beirats der Garnisonkirchstiftung, Paul Nolte, ausgelöst hatte. Seitens des Lernortes war darauf hingewiesen worden, dass die historische Garnisonkirche auch »schon viele Jahre vor dem ›Tag von Potsdam‹ im März 1933 als Identifikationsort für Rechtsradikale« gedient habe. An jenem Tag war es vor der Kirche zum berüchtigten Handschlag zwischen NSDAP-Führer und Reichskanzler Adolf Hitler und dem deutschen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg gekommen.

Die Offerte des Bundesverteidigungsministeriums steht aus Sicht der Friedenskoordination Potsdam im klaren Gegensatz zu den mehrfach geäußerten Versprechungen und Beteuerungen der Wiederaufbaustiftung, die Garnisonkirche werde einerseits nur aus freiwilligen Spendengeldern wiedererrichtet, und die Geschichte des Bauwerks werde andererseits neutral, umfassend und vorurteilsfrei aufgearbeitet. »Mit einer Finanzierung durch das Militär sehen die Mitglieder der Friedenskoordination Potsdam und andere friedenspolitisch Engagierte in der Landeshauptstadt Potsdam die Grenze der Neutralität erneut weit überschritten«, teilen sie in dem Schreiben mit. Und namens des Aktionsbündnisses wird darauf verwiesen, dass sich in den zurückliegenden Jahren immer wieder hochrangige Militärs wie der rechtskonservative Max Klaar von der Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel oder auch der ehemalige Bundeswehrgeneral und spätere brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) für den Wiederaufbau der Garnisonkirche starkgemacht haben. Zudem monieren sie: »Bisher haben sich weder die Stiftung zum Wiederaufbau der Garnisonkirche noch die Befürworter des Wiederaufbauprojektes einer umfassenden, vorurteilsfreien und vor allem neutralen Aufarbeitung der Geschichte der ehemaligen Hof- und Garnisonkirche gestellt. Stattdessen wird, wie in den Jahrhunderten zuvor, erneut der enge Schulterschluss mit dem Militär gesucht.«

Aus diesen Gründen fordert die Friedenskoordination Potsdam, dass keine weiteren öffentlichen Mittel zur Finanzierung des Wiederaufbaus und der Dauerausstellung der Potsdamer Garnisonkirche fließen dürfen. Zudem seien alle bisherigen und künftigen finanziellen Mittel und Zuwendungen offenzulegen. Die Geschichte der ehemaligen Potsdamer Hof- und Garnisonkirche müsse durch eine neutrale Kommission von Historikern, Friedensinitiativen, der Evangelischen Kirche und der Stadt Potsdam umfassend und vorurteilsfrei aufgearbeitet werden.

Die Arbeiten am Turmbau an der Breiten Straße machen unübersehbar Fortschritte. Gerade erst wurden Sandstein-Plastiken auf die Balustrade über dem westlichen Treppenhaus gesetzt. Doch die Kontroversen über das Projekt spalten die Stadt auch nach Jahren.

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