Im Regen stehen geblieben

Beschäftigte im öffentlichen Nahverkehr wollen mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen

  • Max Zeising, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.

Tief Gisela tat sein Übriges. Es plätscherte auf den Asphalt, während ein paar Verirrte an den Bus- und Straßenbahnhaltestellen in Leipzig auch sprichwörtlich im Regen standen: Kein Bus, keine Bahn verließ am Donnerstagmorgen die Depots der Messestadt. Zugleich sammelten sich die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe trotz des miesen Wetters am Bushof Lindenau, um ihren Forderungen Ausdruck zu verleihen.

In Leipzig wie in ganz Sachsen stand am Donnerstag der öffentliche Nahverkehr weitestgehend still. Die Gewerkschaft Verdi hatte die insgesamt 5000 Beschäftigten dazu aufgerufen, mit Beginn der Frühschichten ihre Arbeit niederzulegen. Mit dem erneuten Warnstreik will die Gewerkschaft den Druck auf die Arbeitgeber im Kampf um eine bessere Bezahlung erhöhen. Bereits vor zwei Wochen hatte ein bundesweiter Warnstreik für einen einheitlichen Tarifvertrag dafür gesorgt, dass Schienen und Haltestellen verwaist blieben.

Nun also ein neuer Streik - und das in diesen ohnehin angespannten Corona-Zeiten, in der die Bevölkerung seit Monaten einem erhöhten Stresslevel ausgesetzt ist. Kann das gutgehen? Es muss, sagt der Leipziger Gewerkschaftssekretär Paul Pjanow, denn: »Es ist nicht unser Ziel, Vertrauen in der Bevölkerung zu verspielen. Der Streik ist kein Mittel zum Zweck, sondern immer nur das letzte Mittel. Wir sehen die Verantwortung beim Arbeitgeber.« Konkret kämpfen die Beschäftigten in Sachsen um die Reduzierung der Wochenarbeitszeit von aktuell 39 auf 38 Stunden, eine spürbare Gehaltsanhebung und Sonderzahlungen für langjährig Beschäftigte. Verdi-Verhandlungsführer Gerd Doepelheuer hatte sich im Vorfeld über das Angebot der Arbeitgeberseite beschwert. Dieses Angebot sei eines, das »den Namen nicht verdient«. Es beinhalte eine Nullrunde bis Februar 2021 und danach eine Steigerung um jährlich ein Prozent beziehungsweise ab Juli 2023 um 1,2 Prozent. »Es grenzt an Verhöhnung der Beschäftigten«, beschwerte sich Doepelheuer.

Dass solche Zahlenspielereien bei den Bus- und Bahnfahrern für mächtig Verärgerung sorgen, werde laut Pjanow beim Blick auf andere Bundesländer deutlich. Im bundesweiten Vergleich stehe Sachsen nämlich ziemlich mies da: »Selbst wenn wir nach Sachsen-Anhalt blicken, sehen wir einen Gehaltsunterschied von 300 Euro«, sagte der Gewerkschaftssekretär im Gespräch mit dem »nd«: »Sachsen ist ein Bundesland der Billiglohnpolitik und bundesweit Schlusslicht, was die Bezahlung der Beschäftigten betrifft.«

Hinzu kommt, dass die sächsische Landesregierung im September beschloss, die im Zuge der Corona-Pandemie anfallenden Einnahmeverluste von Verkehrsunternehmen »in einem ersten Schritt«, wie es hieß, nur zu 70 Prozent auszugleichen. Hierfür stellt der Bund dem Land Sachsen 167 Millionen Euro zur Verfügung. In welcher Höhe Landesmittel zur Verfügung stehen, obliegt laut Pressemitteilung des Kabinetts den Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2021/22. Marco Böhme, mobilitätspolitischer Sprecher der Linksfraktion im sächsischen Landtag, sagte dazu: »Sachsen muss das Bundesgeld vollständig weiterreichen und auch eigenes Geld in die Hand nehmen. Werden nur 70 Prozent der Schäden ausgeglichen, stehen wichtige Angebote vor dem Aus.«

In Leipzig und Dresden sollte der Streik bis 19 Uhr andauern; in Chemnitz, Zwickau und Plauen sogar den ganzen Tag. In Dresden allerdings dürfte der Streik seine Wirkung ein wenig verfehlt haben. Laut einer Sprecherin der Dresdner Verkehrsbetriebe sind dort 69 Busse, die von Tochter- oder Subunternehmen betrieben werden, auf ihren Linien unterwegs gewesen. Auch in Hamburg wurde am Donnerstag gestreikt. Ein Warnstreik bei der Hochbahn und den Verkehrsbetrieben Hamburg Holstein (VHH) legte den öffentlichen Nahverkehr in und um Hamburg weitgehend lahm. Verdi wirft den Arbeitgebern vor, den Tarifkonflikt auf Kosten der Fahrgäste zu verschleppen, weil sie im Fall der VHH erst spät Gesprächsangebote unterbreitet haben. Mit Agenturen

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