Lizenz zum Töten

In Nigeria wurde nach Protesten Polizei-Spezialeinheit aufgelöst

  • Kofi Shakur
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist ein offenes Geheimnis in Nigeria: Die Special Anti-Robbery Squad (SARS) hat eine inoffizielle »Erlaubnis zu töten«. Das sagt Bukar Mohammed Atiyaye, Gründer der Nichtregierungsorganisation Humanitarian Network for Northern Nigeria. Dieser Tage gingen als Reaktion auf einen mutmaßlichen Mord durch die Polizei landesweit Tausende gegen Polizeigewalt auf die Straße. Bekannte Persönlichkeiten und die nigerianische Diaspora weltweit zeigten ihre Solidarität und forderten die Abschaffung der SARS.

Die Spezialeinheit wurde 1992 gegründet und sollte vor allem an Orten mit hoher Kriminalitätsrate gegen organisierte Banden vorgehen. Immer wieder kam es dabei zu Vorfällen, bei denen Unschuldige zum Ziel der verdeckten Polizeioperationen wurden. Forderungen, die Spezialeinheit abzuschaffen, sind nicht neu. Bukar Mohammed Atiyaye hat viele Geschichten über Begegnungen mit SARS gehört. »Einem unschuldigen Freund von mir wurde ins Bein geschossen, als er gerade Geld abheben wollte«, berichtet er gegenüber »nd«. Oft würde die Polizei auch Leute dazu zwingen, ihre Konten zu leeren und ihnen das Geld abnehmen.

In sozialen Medien ist die Einheit deshalb auch als Special Armed Robbery Squad bekannt. Alles, was sie könnten, sei »Steal Attack and Rob Society«, schrieb ein User auf Twitter, stehlen, angreifen und rauben. Ein besonderes Ziel momentan seien die sogenannten Yahoo Boys, so Atiyaye, oft junge Männer, die Geld mit Betrug im Internet verdienen. »Aufgrund der Natur der Arbeit der nigerianischen Polizei töten sie, anstatt sie zu verhaften«, erklärte der Aktivist. In einem Video, das von der nigerianischen Zeitung »Vanguard« verbreitet wurde, warnt ein Mann in Militärkleidung Angehörige der Spezialeinheit SARS. Würden diese jemals aus Versehen einen »Yahoo Soldier« töten, wären sie in großen Schwierigkeiten.

Ins Visier der Spezialeinheit würden aber auch Menschen geraten, die nicht den binären Geschlechterbildern entsprechen. Sie würden von SARS beschuldigt werden, homosexuell zu sein, erzählt der queere Aktivist Ani Kayode Somtochukwu dem »nd«. Ein Gesetz von 2014 verbietet gleichgeschlechtliche Ehen und Beziehungen. »Unter diesem Vorwand werden sie verhaftet, geschlagen, erpresst, manchmal werden sie getötet, aus Versehen oder mit Absicht.«

Bei den Protesten im Südosten in Enugu forderten die Demonstrierenden den Rücktritt von Präsident Muhammadu Buhari und riefen, »dass wir Arbeit brauchen«. »Diese Proteste dienen für junge Menschen als Ventil für die Ablehnung staatlicher Gewalt. Das gilt sowohl für SARS, als auch von Polizeigewalt und struktureller Gewalt«, erklärt Somtochukwu. Besonders die Forderung nach Arbeit hätte ihn gefreut, »denn es gibt eine Verbindung. Das Verständnis, dass es ein systemisches Problem ist, das eine gesellschaftliche Transformation erfordert, ist notwendig.« Er und andere hätten zwar auch auf den Protesten Homophobie erfahren, doch »wir kämpfen weiter, denn was wir fordern, ist wichtig.« Im ganzen Land würden auch queere Menschen ihre Stimmen erheben und einen radikalen Wandel der Verhältnisse fordern, so der Aktivist.

Die Regierung verkündete nun, dass die Spezialeinheit mit sofortiger Wirkung aufgelöst sei. Deren Mitglieder sollen jedoch nach psychologischer Begutachtung in andere Polizeikräfte eingegliedert werden. Darüber hinaus soll die neue Sondereinheit Special Weapons and Tactics die so entstandene Lücke schließen. Viele der Protestierenden sehen darin jedoch einen Versuch zur Beschwichtigung, ohne, dass es Gerechtigkeit für die Opfer von Polizeigewalt oder eine strukturelle Änderung gäbe. Bekannt wurde, dass ein Teil der Gefangenen freigelassen werden solle. Dies war eine der zentralen Forderungen der Bewegung.

Inzwischen werden jedoch auch die sozialen Verhältnisse thematisiert. In den sozialen Medien fordern Menschen die Auflösung der nationalen Versammlung und ein Ende von hohen Gehältern für deren Mitglieder, während der Großteil der Menschen in Armut lebt.

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