Lächeln gegen die Krisen

Jacinda Arderns Sozialdemokraten sind Favorit bei Parlamentswahl in Neuseeland

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 4 Min.

Eine Terrorattacke, ein Vulkanausbruch, danach die Pandemie - Jacinda Arderns drei Jahre an der Spitze der neuseeländischen Regierung wurden zur Feuerprobe für die junge Sozialdemokratin, die während ihrer Amtszeit auch noch Mutter wurde. Doch die heute 40-Jährige überstand eine Krise nach der anderen, ihr Lächeln, aber auch ihre Tränen für die Opfer des Anschlags auf zwei Moscheen in Christchurch gingen um die Welt. Die Empathie, die die Politikerin in all den Krisen zeigte, brachte ihr weltweites Lob ein. »Ardern ist eine Meisterin der Krisenkommunikation«, sagt der deutsche Neuseeland-Experte Oliver Hartwich, der in der Hauptstadt Wellington den Thinktank »The New Zealand Initiative« leitet.

Dies kam ihr nicht zuletzt in der Coronakrise zugute, die Neuseeland bis auf einen Rückschlag in Auckland so gut wie kaum ein anderes Land der Erde gehandhabt hat. Ardern führte die Bevölkerung - die sie ihr »Fünf-Millionen-Team« nannte - mit täglichen Briefings und viel mentaler Unterstützung durch einen der strengsten Lockdowns der Welt.

Seit vergangener Woche gilt das Land, das weniger als 2000 Infektionen und 25 Todesfälle meldete, als Corona-frei. Laut einer Umfrage von Bloomberg Media war Neuseelands Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie die beste der Welt. Neuseeland erhält Topnoten bei politischer Stabilität, wirtschaftlichem Aufschwung, Viruskontrolle und sozialer Belastbarkeit und liegt mit 238 Punkten ein ganzes Stück vor dem zweitplatzierten Japan und dem drittplatzierten Taiwan.

Für Ardern ist die Bestätigung von außen wichtig, denn nicht zuletzt wegen des permanenten Krisenmodus der Regierung ist die politische Bilanz der vergangenen drei Jahre nicht so gut, wie die Labour-Politikerin sich dies vielleicht gewünscht hätte. »Durchwachsen« nennt der Experte Hartwich die Errungenschaften ihrer Regierung.

So kritisiert er, dass der geplante Bau der Flughafenanbindung in Auckland noch nicht einmal begonnen hat, das Ziel verworfen wurde, 100 000 Häuser zu bauen (600 waren es bis August), die Binnengewässer nach wie vor nicht saniert sind und die Kinderarmut heute verbreiteter ist als vor drei Jahren. Laut Unicef ist Neuseeland einer der schlechtesten Orte in der entwickelten Welt, um ein Kind zu sein. In Bezug auf das Wohlbefinden (»Wellbeing«) belegt es Platz 35 von 41 Nationen.

Stephen Levine, ein Politikprofessor an der Victoria Universität in Wellington, geht nicht ganz so hart mit der Politikerin ins Gericht wie Hartwich. Obwohl auch er die Kinderarmut und die verfehlten Wohnungsbauziele anprangert, findet er: »Im Großen und Ganzen hat die Premierministerin versucht, ihre politischen Versprechen einzuhalten.« Er nennt dabei die Überprüfung des neuseeländischen Steuersystems, die Erhöhung des Mindestlohns und das Verbot von Schnellfeuerwaffen nach den Anschlägen von Christchurch.

Die Meinungsumfragen deuten derzeit alle auf einen Sieg Arderns. Sie hat einen erheblichen Vorsprung vor der Vorsitzenden der Oppositionspartei, Judith Collins von der National Party. Bei den politischen Debatten im Fernsehen habe sich die konservative Politikerin zwar auch gut geschlagen, findet Levine, doch Arderns »Star-Appeal« und ihr »charismatisches Element«, das vor allem bei jungen Leuten und Frauen gut ankomme, fehle Collins. Letztere gilt als resolut und streng - in ihrer früheren Rolle als Polizeiministerin hat sie sich sogar den Spitznamen »Crusher« eingehandelt, nachdem sie eine neue Regulierung einführte, nach der Autos von regelmäßigen Verkehrssündern plattgemacht werden konnten.

Auch der Experte Hartwich glaubt nicht an einen Sieg der Konservativen, die noch vor Arderns Amtszeit eigentlich ziemlich fest im Sattel saßen und stimmenmäßig die Wahl 2017 sogar gewonnen hatten. Labour stellte nur die Regierung mit Grünen und Rechtspopulisten, weil die Nationals sich mit keinem Koalitionspartner einigen konnten. Doch die Nationalpartei habe dieses Jahr bereits zwei Parteichefs »verschlissen« und mit Judith Collins die dritte Vorsitzende in weniger als einem halben Jahr, sagt Hartwich. Dazu kämen noch einige prominente Abgänge und Fehltritte von Abgeordneten. »Das alles kratzt am Ansehen von National.« Levine glaubt, dass die Oppositionspartei es angesichts des Führungswechsels bereits als einen »Sieg« betrachten werde, wenn sie einen Erdrutschsieg Arderns verhindert.

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