Abwrackprämien für Kutter
EU-Minister beraten über neue Fangquoten für Hering und Dorsch
Vor dem Treffen der EU-Fischereiminister in Luxemburg an Montag, die über die Fangquoten für das kommende Jahr beraten, haben Wissenschaftler des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel auf die Situation beim Herings- und Dorschnachwuchs in westlichen Ostsee hingewiesen. Untersuchungen in der Kieler Förde hätten ergeben, dass es um die Bestände wie in den Vorjahren überhaupt nicht gut bestellt ist. Der letzte bessere Dorschjahrgang von 2016 habe sich bis heute nicht erfolgreich fortgepflanzt, so der Meeresökologe Rainer Froese. Dies sei ein Alarmzeichen.
Die Forscher sehen einen Zusammenhang mit dem Klimawandel und der Erwärmung der Ostsee. Der warme Winter hatte dafür gesorgt, dass die meisten Fische zu früh ablaichten, also bevor die Larven eine ausreichende Nahrungsbasis hatten. Ein Nahrungsräuber wie die vermehrt aufgetretene Rippenqualle stellte sich dann als zusätzliches Übel heraus.
Das Thünen-Institut für Ostseefischerei weist bereits seit einigen Jahren auf schwindende Populationen hin. Die Erkenntnisse aus Rostock sind besonders wichtig, denn Institutsleiter Christopher Zimmermann ist Mitglied im Rat für internationale Meeresforschung (ICES), dessen Empfehlung Grundlage für die Festlegung der Fangquoten in der EU ist. Im Vorjahr lautete diese, bezogen auf den Hering: Fangstopp; beschlossen wurde ein Quotenminus von 65 Prozent. Beim Dorsch (Kabeljau) lautete die EU-Vorgabe minus 60 Prozent. Während die Fischer Schleswig-Holsteins vor allem Dorsch in ihren Netzen anlanden, konzentrieren sich die Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern auf den Hering. Für alle gilt: Quotenkürzungen können existenzbedrohend sein.
Aufgrund einer leichten Erholung beim West-Dorsch plädiert der ICES in diesem Jahr für eine Quotenanhebung um 21,8 Prozent und beim West-Hering für Fangstopp. Die EU-Kommission sprach sich in einer Vorlage für das Ministertreffen dagegen für eine Senkung um elf Prozent beziehungsweise eine Halbierung der Fangmenge aus.
Thünen-Institutsleiter Zimmermann moniert an der Geomar-Expertise, dass diese eine viel zu kleine Fischmenge beinhalte und nur den Stellenwert einer Regionalerhebung habe. Statistisch valide Erkenntnisse über die Fischnachwuchsentwicklung der westlichen Ostsee fänden sich darin nicht. Ohnehin entscheide sich das zukünftige Schicksal der Dorsch- und Heringsbestände am Laichgeschehen im Raum Kattegat/Skagerrak.
Derweil weisen die Deutsche Umwelthilfe, die Schutzorganisation Our Fish und der Umweltverband BUND auf eine Überfischung der Ostsee hin und fordern einen Fangstopp für Dorsch und Hering. Da dies gleichbedeutend mit einer Ausdünnung der Berufsfischerflotte wäre, soll laut BUND eine sozialverträgliche Kompensation durch Land und Bund an Betroffene erfolgen. Tatsächlich läuft in der EU bereits eine Diskussion über Abwrackprämien für Kutter.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.