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Auf der Suche nach der Vaterfigur
Die drei Anwärter auf den CDU-Vorsitz stellen sich bei der Jungen Union vor
Wie präsentiert man sich vor Leuten, von deren Unterstützung man abhängig ist, die aber so jung sind, dass sie die eigenen Kinder sein könnten? Vor dieser Herausforderung standen am Samstagabend der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, der Bundestagsabgeordnete und Außenpolitiker Norbert Röttgen sowie der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz. Sie kandidieren für den Vorsitz der CDU und warben bei der Jungen Union (JU) für sich.
Der 55-jährige Röttgen hat irgendwo aufgeschnappt, dass Frauenförderung derzeit modern ist. So versprach er dem Parteinachwuchs, der die Debatte wegen der Corona-Pandemie im Internet verfolgte, dass die CDU unter seiner Führung »weiblicher, jünger, digitaler und interessanter werden« solle. Diese Aussage klang auch deswegen kurios, weil die CDU derzeit mit Annegret Kramp-Karrenbauer und Angela Merkel eine Frau als Vorsitzende hat und die Kanzlerin stellt. Beide wollen nicht mehr weitermachen und werden bald von Männern abgelöst. Immerhin hat Röttgen angekündigt, dass er eine Generalsekretärin installieren will.
Derzeit hat das Amt Paul Ziemiak inne, der bis März 2019 auch Bundeschef der Jungen Union war. Er wurde vor zwei Jahren von der damals neuen CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer vorgeschlagen. Sie hatte sich auf dem Hamburger Parteitag 2018 in der Stichwahl gegen Friedrich Merz durchgesetzt. Entscheidend waren offenbar zahlreiche Stimmen aus dem Parteinachwuchs für Kramp-Karrenbauer. Denn die Junge Union ist vor allem ein Karrierenetzwerk. Wer der JU herausragende Posten verspricht, der kann auf ihre Unterstützung hoffen.
Doch inzwischen gilt Kramp-Karrenbauer nach einigen Fehltritten als glücklose Parteichefin. Deswegen versucht es Merz noch einmal. Der 64-Jährige sagte bei seinem Auftritt, dass Deutschland nicht länger auf Kosten der jungen Generation leben dürfe. Merz ist ein Gegner der von der Großen Koalition beschlossenen Grundrente. Er will stattdessen eine Verpflichtung zur privaten, kapitalmarktorientierten Vorsorge für das Alter prüfen. Im Unterschied zu den Rentnern dürften dann die Kapitalmärkte und diverse Unternehmen jubeln. Auch für die Start-up-Szene hatte Merz etwas parat. »Ich strebe eine Technologie- und Gründungsoffensive an. Das Land ist zu träge geworden«, sagte er.
Während Merz mit seinen Aussagen zum Teil auch in der eigenen Partei polarisiert, präsentierte sich Armin Laschet (59) als Mann des Ausgleichs. Er verwies darauf, dass in seinem nordrhein-westfälischen Landeskabinett der Mittelstand genauso wie die Arbeitnehmer sowie Frauen und die junge Generation vertreten seien. »Diese Vielfalt muss endlich auch in der Bundespartei sichtbar sein«, forderte der Ministerpräsident.
Ein Präsenzparteitag mit 1001 Delegierten soll am 4. Dezember in Stuttgart den Nachfolger von Kramp-Karrenbauer wählen. Wegen der weiter steigenden Zahlen von Corona-Infektionen ist allerdings nach wie vor offen, ob das Delegiertentreffen tatsächlich stattfinden kann. Etwa 100 Delegierte sollen dann der Jungen Union angehören.
Die Organisation stimmt nun intern darüber ab, welcher Kandidat aus ihrer Sicht die Nase vorn haben sollte. Die Mitgliederbefragung wird rund zwei Wochen dauern. Das Ergebnis gilt als Empfehlung des Parteinachwuchses für die Wahl in Stuttgart. Die Junge Union ist die gemeinsame Jugendorganisation von CDU und CSU. Die bayerischen Mitglieder werden aber nicht befragt, weil es nur um den Vorsitz der CDU geht. Die Junge Union hat nach eigenen Angaben knapp 100 000 Mitglieder.
Keine Rolle spielte bei der Veranstaltung übrigens Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Dabei hätte er nach Ansicht der Bundesbürger die besten Karten. In der Befragung des Instituts Kantar für die Funke Mediengruppe gaben 22 Prozent an, sie trauten am ehesten Spahn zu, ein guter CDU-Chef zu werden. Der 40-Jährige tritt im Team mit Laschet an. Wenn dieser gewinnen sollte, würde Spahn sich als Vizeparteichef bewerben. 19 Prozent trauten in der Umfrage Merz am ehesten den Spitzenposten zu, 17 Prozent nannten Laschet und 8 Prozent Röttgen. Dem Letztgenannten werden auch intern lediglich Außenseiterchancen eingeräumt.
Bei der Frage, wem zugetraut wird, ein guter Bundeskanzler zu werden, lag in der Umfrage CSU-Chef Markus Söder mit 34 Prozent vorn, obwohl der bayerische Ministerpräsident immer wieder betont, sein Platz sei in Bayern. Merz kommt hier nur auf 12 Prozent, Spahn auf 8, Laschet auf 7 und Röttgen auf 5 Prozent.
Spahn und Söder sind während der Coronakrise populärer geworden. Allerdings ist das nur eine Momentaufnahme. Für Debatten sorgt derzeit, dass das Bundesgesundheitsministerium im Eilverfahren die Sonderrechte für Spahn in der Corona-Bekämpfung über den 31. März 2021 hinaus verlängern und ausbauen will. Die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes würde es Spahn ermöglichen, eigenmächtig Verordnungen zu erlassen, soweit dies »zum Schutz der Bevölkerung vor einer Gefährdung durch schwerwiegende übertragbare Krankheiten erforderlich ist«. So heißt es in einem Gesetzentwurf, aus dem die Agentur AFP zitierte. Die Sozialdemokraten wollen allerdings bei der Ausweitung der Kompetenzen für den Minister nicht mitmachen. Einer Entfristung der Verordnungsermächtigung für den Minister werde die SPD nicht zustimmen: Hier gehe es um »weit reichende Grundrechtseingriffe«, hieß es aus der SPD-Fraktion.
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