Fahrrad-Kennzeichen sind Luftnummer

Vorstoß der Berliner Polizeipräsidentin erntet Kritik

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Es ist eine absolute Scheindebatte, über Nummernschilder für Fahrräder zu reden. Wir brauchen Verkehrssicherheit, eine gute Infrastruktur zum Fahren«, sagt Ragnhild Sørensen zu »nd«. Sie ist Sprecherin von Changing Cities, dem aus dem Berliner Fahrrad-Volksentscheid hervorgegangenen Verein. Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik hatte sich am Montag in der »Berliner Morgenpost« für eine Prüfung der Kennzeichnungspflicht von Fahrrädern ausgesprochen. »Bei Beschwerden, bei schweren Verstößen und vor allem schweren Folgen, finde ich, dass es durchaus ein wichtiger Aspekt sein kann«, so Slowik.

Für Sørensen ist der Debattenaufschlag vor allem ein »Ablenkungsmanöver« von den viel zu spärlich stattfindenden Verkehrskontrollen. »Wir haben ein viel größeres Problem mit Falschparkern als mit Radfahrern«, erklärt sie.

»Weder in Holland noch in Dänemark, wo es weit mehr Radler gibt, sind Nummernschilder für Fahrräder vorgeschrieben«, so Sørensen. »Wenn die Kennzeichnung der Sicherheit zuträglich wäre, hätten diese Länder das gemacht«, ist sie überzeugt. In der Schweiz gab es Fahrrad-Kennzeichen, die den Abschluss der obligatorischen Haftpflichtversicherung belegten. Diese wurden allerdings Ende 2011 abgeschafft, weil Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis standen.

Tatsächlich zeigt die »Sonderuntersuchung Radverkehrsunfälle« der Berliner Polizei für das Jahr 2018, dass bei Unfällen knapp 15 Prozent der Lkw-Fahrer Unfallflucht begehen - trotz Kennzeichen. Bei Radfahrern geschieht dies in rund 8,7 Prozent, bei Autofahrern in 7,6 Prozent der Fälle. Dabei geht es oft auch um unbeobachtete Unfälle, die nur Lackkratzer oder Ähnliches zur Folge haben und teilweise von den Verursachern nicht einmal bemerkt worden sind - Kennzeichen helfen da wenig.

Der SPD-Innenexperte Frank Zimmermann äußert sich zurückhaltend zu dem Vorstoß der Polizeipräsidentin. »Wir müssen das beraten. Man muss natürlich den Aufwand im Vergleich zum Effekt betrachten«, sagt er auf nd-Anfrage.

Die Einführung einer Fahrrad-Kennzeichenpflicht sei »in den einschlägigen Gremien intensiv diskutiert worden«, heißt es von der Senatsverwaltung für Verkehr auf nd-Anfrage. »Bei Abwägung aller Argumente ist die Einführung einer Kennzeichenpflicht für Fahrräder nach wie vor nicht vertretbar«, so eine Sprecherin.

»Wir haben fast 80 Millionen Fahrräder in Deutschland, deutlich mehr als motorisierte Fahrzeuge. Das wäre eine Riesenbehörde«, erläutert Ragnhild Sørensen. Ganz abgesehen davon, dass Fahrräder häufig gestohlen würden und auch die Kennzeichen abmontiert werden könnten. »Der Vorstoß passt zu den Äußerungen der designierten Berliner SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey, wo ich nur ›Auto, Auto, Auto‹ höre.«

»Eine Kennzeichnungspflicht für Fahrräder wäre ein viel zu bürokratischer Aufwand und kontraproduktiv für die Mobilitätswende«, ist auch Kristian Ronneburg überzeugt. Natürlich müssten auch Ordnungswidrigkeiten und Straftaten von Radfahrenden verfolgt werden können, erklärt der Verkehrsexperte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. »Ich bin daher etwas verwundert über den Vorschlag der Polizeipräsidentin, denn wir haben mit der Fahrradstaffel bei der Polizei dafür bereits ein erfolgreiches Modell, das dringend schneller ausgebaut werden muss, damit wir in der Fläche mehr Polizistinnen und Polizisten auf Rädern haben, die effektiv kontrollieren können«, so Ronneburg.

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