Bahn-Stress für Platzeck

Zwischen der Bahn und der GDL kommt es zur Schlichtung

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Diesen Donnerstag beginnt das Schlichtungsverfahren zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL. Eingeleitet wurde es vom Konzern, der sich auf einen 2015 geschlossen Grundsatzvertrag berufen kann. Demnach kann eine obligatorische Schlichtung einseitig verlangt werden, wenn auf dem Verhandlungsweg keine Einigung bei strittigen Themen erzielt wird. Im Gegenzug erhielt die GDL die Zusicherung, dass mit ihr geschlossene Vereinbarungen uneingeschränkt Gültigkeit haben und das Tarifeinheitsgesetz keine Anwendung findet. Für das Verfahren einigten sich die Kontrahenten auf den früheren brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck als Schlichter. Platzeck gilt als ausgewiesener Kenner der komplizierten tarifpolitischen Situation bei der Bahn und übte dieses Amt bereits 2015 und 2019 aus. Während der für drei Wochen angesetzten Schlichtung besteht für die GDL Friedenspflicht.

Die Fronten sind ziemlich verhärtet. Die GDL weigert sich bislang, über einen Sanierungstarifvertrag für das hoch verschuldete Staatsunternehmen zu verhandeln, der auch einen »Solidarbeitrag« von den Angestellten beinhaltet. »Wenn es um eine echte Sanierung der Bahn ginge, wären wir auch bereit, unseren Beitrag zu leisten. Aber nur für etwas, was sanierungsfähig ist. Doch hier geht es um jahrzehntelanges Versagen des Managements«, erklärte GDL-Chef Claus Weselsky vor einigen Tagen. 1994 sei die Bahn im Zuge der Bahnreform komplett entschuldet worden. »Seitdem wurden unglaubliche Summen im Ausland verzockt, mit Übernahmen, Beteiligungen und Unternehmensgründungen, die nichts, aber auch gar nichts mit der Eisenbahn zu tun haben«, so Weselsky. Solange Steuergelder auf diese Weise versenkt würden, sei die GDL nicht bereit, einen angeblichen Solidarbeitrag zu leisten. Die konkurrierende, zum DGB gehörende Eisenbahngewerkschaft EVG hatte sich hingegen Mitte September mit der Konzernführung auf einen ab März 2021 geltenden Sanierungstarifvertrag geeinigt, der bei einer Laufzeit von 24 Monaten lediglich eine Lohnerhöhung um 1,5 Prozent ab Januar 2022 vorsieht und im Gegenzug betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Weitere Forderungen, etwa zu verbesserter Wegegeldbezahlung und Arbeitszeitregelungen wurden fallengelassen.

Die GDL lehnt die Übernahme dieser Vereinbarung kategorisch ab. »Die Führungskräfte leisten keinen eigenen Beitrag, sind sich aber nicht zu schade, die Mitarbeiter des direkten Personals in Regress für das eigene Versagen nicht nur in der Corona-Zeit zu nehmen. Das ist unanständig und eines großen Arbeitgebers unwürdig«, kommentierte Weselsky am 8. Oktober den Abschluss. Die GDL verlangt stattdessen reguläre Tarifverhandlungen zum Ende des geltenden Tarifvertrages im Februar 2021. Dabei werde es vor allem um Lohnerhöhungen und Schichtzulagen sowie wirksame Regelungen zur Reduzierung der Arbeitsbelastung gehen, so eine GDL-Sprecherin auf nd-Nachfrage.

Allerdings ist zu erwarten, dass auch der Konflikt um die Tariffähigkeit der GDL erneut aufbricht. Denn der Grundsatzvertrag, der diese im Kern garantiert, läuft ebenfalls aus. Wird dieser nicht verlängert oder neu ausgehandelt, könnte die Bahn auf das Tarifeinheitsgesetz pochen, mit dem unterschiedliche Tarifverträge innerhalb eines Unternehmens ausgeschlossen werden sollen. Die Tarifhoheit fiele dann der mitgliederstärksten Gewerkschaft zu. Das ist im Konzern die EVG. Und Weselsky betont, dass sich die GDL stets zu wehren gewusst habe, »wenn sie in ihrer Existenz bedroht wird«. Zumal vollkommen unklar ist, wie die jeweiligen Mitgliederzahlen in den einzelnen Bereichen des verschachtelten Konzerns überhaupt rechtssicher erhoben werden könnten. Für den Schlichter Platzeck dürften das jedenfalls drei sehr anstrengende Wochen werden.

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