Die Disko-Tür bleibt zu

Sachsen-Anhalt wollte als erstes Bundesland wieder die Klubs für Feiern öffnen - trotz Protesten hat man dies nun zurückgezogen

  • Max Zeising, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Magdeburger Staatskanzlei bekam am Dienstag ungewöhnlichen Besuch. Während das Kabinett Sachsen-Anhalts um Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) im Innern des Hauses seine wöchentliche Routinesitzung abhielt, versammelten sich vor der Eingangstür die Betreiber verschiedener Klubs und Diskotheken des Bundeslandes. Sie legten einen Sarg mit einem Holzkreuz und Disko-Kugeln nieder, um auf die prekäre wirtschaftliche Lage der Tanzlokale aufmerksam zu machen - der Sarg sollte symbolisch für das befürchtete Klubsterben stehen. Seit März haben Diskotheken aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen - und sie werden es wohl noch eine Weile bleiben.

Denn während dieser ungewöhnlichen Aktion geschah in den Innenräumen der Staatskanzlei ebenso Aufsehenerregendes, wenngleich Vorhersehbares: Die Landesregierung nahm den im September gefassten Beschluss, kleinere Klubs und auch die großen Diskotheken ab 1. November wieder zu öffnen, aufgrund der stark angestiegenen Corona-Infektionszahlen wieder zurück. In der vergangenen Woche hatte sich dies bereits angedeutet, nun ist es auch offiziell vom Tisch.

»Was an weiteren Öffnungen geplant war, werden wir zurückstellen, bis die Zeiten es zulassen«, sagte Haseloff auf der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung im großen Festsaal der Staatskanzlei. Angesichts eines schwer vorhersehbaren Corona-Geschehens im Winter nannte er kein konkretes Datum. Laut Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) soll es Anfang Januar eine neue Lagebeurteilung geben.

Ursprünglich wollte die Landesregierung den finanziell besonders stark unter der Coronakrise leidenden Klubs mit einem Hygienekonzept unter die Arme greifen: Eine Auslastung von maximal 60 Prozent der zugelassenen Besucherzahl sowie Anwesenheitslisten und Mindestabstände sollten die Wiedereröffnung der Tanzlokale möglich machen. Sachsen-Anhalt wäre damit das erste Bundesland gewesen, das Tanzen und Feiern wieder offiziell zulässt.

Dafür sprach lange Zeit die überschaubare Zahl an Neuinfektionen. In den Sommermonaten hatte es landesweit kaum noch Ansteckungen gegeben. Doch damit ist jetzt Schluss. Das Robert-Koch-Institut meldete am Dienstagmorgen für Sachsen-Anhalt 49 Neuinfizierte und einen 7-Tage-Inzidenzwert von 15,8. Das ist zwar die niedrigste Quote bundesweit, aber mit dem Jerichower Land hatte am Montag der erste Kreis den kritischen Inzidenzwert von 35 Neuinfektionen pro sieben Tage und 100 000 Einwohner erreicht. Ab diesem Wert sind zusätzliche Schutzmaßnahmen nötig, darauf hatten sich Bund und Länder in der vergangenen Woche geeinigt. Entsprechend gezwungen sah sich Haseloff nun, die Disko-Türen auch weiter geschlossen zu halten.

Die Klubwirtschaft ist mit dieser Entscheidung jedoch ganz und gar nicht einverstanden. Im Vorfeld der Kabinettssitzung hatten sich die Betreiber von insgesamt 24 Diskotheken in Sachsen-Anhalt mit einem offenen »Brandbrief« an Haseloff gewandt. Darin heißt es, die Entscheidung für die Rücknahme habe sie mitten in den Vorbereitungen auf die Wiedereröffnung getroffen und »auch wegen ihrer Kurzfristigkeit« sehr überrascht.

Die Betreiber sprechen sich trotz höherer Infektionszahlen weiterhin für die Öffnung aus: »Nur der legale Klubbetrieb garantiert eine kontrollierte und professionelle Feierkultur, welche sich ansonsten in den privaten beziehungsweise illegalen Raum verlagert und somit eine viel größere Gefahr darstellt.« Weiter heißt es: Stillstand und Perspektivlosigkeit »bringen nunmehr auch bisher völlig wirtschaftlich gesunde Klubs und Diskotheken an den wirtschaftlichen Abgrund«, da bisherige Förderprogramme der Sofort- und Überbrückungshilfen nur teilweise nutzbar gewesen seien und nicht gereicht hätten. Die Betreiber fordern beispielsweise die Übernahme der betrieblichen Fixkosten zu 100 Prozent und eine Ausfallentschädigung für entgangene Umsätze aufgrund der Betriebsverbote.

Haseloff jedoch dürfte sich angesichts der Tatsache, dass der Höhepunkt der »zweiten Welle« noch nicht absehbar scheint, nicht umstimmen lassen. Allerdings kündigte Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) ein Hilfsprogramm für Betroffene an. Ziel sei es, möglichst unbürokratisch jenen Unternehmen zu helfen, die am 1. November mit einer Öffnung geplant hatten - also zuvörderst Klubs und Diskotheken. Willingmann will beispielsweise eine sogenannte Unternehmerhilfe für die Monate November und Dezember installieren sowie die Überbrückungshilfe aufstocken. Allerdings muss sich der Wirtschaftsminister noch abstimmen - insbesondere mit Finanzminister Michael Richter (CDU).

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