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Nigerias Polizei geht gegen Protestierende vor
Unruhen in der Metropole Lagos nach mutmaßlichen Schüssen auf Demonstranten
Lagos. Die knapp zweiwöchigen Proteste gegen exzessive Polizeigewalt in Nigeria haben in der Nacht zu Mittwoch in der Wirtschaftsmetropole Lagos einen neuen Höhepunkt gefunden. Dort hatten unbestätigten Berichten in sozialen Netzwerken zufolge Einsatzkräfte das Feuer auf Demonstranten eröffnet. Die Provinzregierung bestätigte Hinweise auf eine Schießerei und kündigte eine Untersuchung der Vorgänge an.
Bei den Protesten wurden 25 Menschen verletzt, wie der Gouverneur des gleichnamigen Bundesstaates, Babajide Sanwo-Olu, sagte. Auch er kündigte eine offizielle Untersuchung an. Anders als von Augenzeugen in sozialen Medien berichtet, betonte er, es habe aber keine Toten gegeben. Sanwo-Olu sprach zudem von anhaltenden gewaltsamen Protesten, bei denen Feuer gelegt werde. Kriminelle würden unter dem Schutz der Demonstranten für extremes Chaos in der größten Stadt des westafrikanischen Staates sorgen, sagte er. In unbestätigten Berichten war von wütenden Jugendlichen die Rede, die am Mittwoch Autos und Regierungsgebäude in Brand setzten. Eine Polizeistation sei niedergebrannt worden. In der Stadt Benin im Süden des Landes wurden zwei Polizeieinrichtungen angegriffen. Nach Behördenangaben wurden landesweit Polizeieinheiten für die Bekämpfung der Aufstände stationiert.
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»Amnesty International hat glaubwürdige, aber verstörende Hinweise auf exzessive Gewaltanwendung erhalten, die zum Tode von Demonstranten an der Lekki-Mautstelle in Lagos führten«, schrieb die Menschenrechtsorganisation im Kurznachrichtendienst Twitter zu dem nächtlichen Vorfall an der Mautstelle. Dort hatten sich Demonstranten geweigert, sie zu verlassen und die Sperrstunde einzuhalten. Die Behörden hatten nach Krawallen vor einem Polizeirevier am Dienstag eine 24-stündige Ausgangssperre in der größten Stadt des westafrikanischen Staates und deren Umland verhängt. Auch im Bundesstaat Edo wurde eine Ausgangssperre verhängt, nachdem Demonstranten in der Stadt Benin in ein Gefängnis eingebrochen waren. Nach Angaben der dortigen Behörden hatten sie dabei 1993 Häftlinge befreit.
Die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton und der frühere US-Vizepräsident Joe Biden riefen zum Ende der Gewalt gegen die Demonstranten auf. Musikstar Rihanna schrieb auf Twitter, es sei unerträglich, das Geschehen in Nigeria zu beobachten. »Es ist so ein Betrug an den Bürgern, dass dieselben Leute, die sie schützen sollen, nun diejenigen sind, vor denen wir uns am meisten fürchten müssen, ermordet zu werden.« Amnesty erinnerte die Behörden daran, dass tödliche Gewaltanwendung der Sicherheitsbehörden nur in wenigen Extremfällen erlaubt sei.
Ausgelöst wurden die Proteste durch ein Video, das einen Beamten der mittlerweile aufgelösten Eliteeinheit Special Anti-Robbery Squad (SARS) beim Töten eines jungen Mannes zeigte und durch die sozialen Medien ging. Unter dem Hashtag EndSARS verbreiteten sich die Proteste schnell und führten auch im Ausland zu Protesten. Inzwischen fordern die Demonstranten weitreichende Polizeireformen im Land. Agenturen/nd
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