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- Deutsche Hochschule für Körperkultur und Sport
Leipziger Kürzel mit Weltruf
Vor 70 Jahren wurde die DHfK gegründet - und wirkt bis heute im Spitzensport
Für reichlich Diskussionsstoff zwischen Nostalgie und aktuellen Sorgen um den Trainerberuf im deutschen Leistungssport ist an diesem Donnerstag im Leipziger Ratskeller gesorgt. Seit Beginn des neuen Jahrtausends treffen sich in dem Lokal im Neues Rathaus alljährlich am 22. Oktober ehemalige Professoren, Wissenschaftler und Mitarbeiter und erinnern an diesem Tag an die Gründung der Deutschen Hochschule für Körperkultur und Sport (DHfK), an der sie lehrten, forschten, arbeiteten und studierten. Diesmal feiert der Kreis der Ehemaligen den 70. Geburtstag der Hochschule - und wird zugleich ihres von der sächsischen Staatsregierung unter CDU-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf besiegelten Endes vor 30 Jahren gedenken. »Es gibt da keinen großartigen offiziellen Teil«, skizziert Karsten Schumann den Rahmen der Veranstaltung. »Es ist eher eine private Zusammenkunft zum Gedankenaustausch und zur Erinnerung an gemeinsame Zeiten.«
Von der DHfK zum DFB und FC Bayern
Den 57-Jährigen, einer der letzten DHfK-Absolventen und Mitverfasser einer Chronik über die Hochschule, treiben dabei gemischte Gefühle um. Rückblickend herrscht bei ihm Dankbarkeit für eine erstklassige Ausbildung vor. »Das war eine Einrichtung von Weltruf, dieses Diplom war ein Gütesiegel«, berichtet Schumann, der nach der Wende mehr als zehn Jahre lang als Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Matthias Sammer in dessen Funktionen als Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und Vorstand Sport beim FC Bayern München tätig war. Heute arbeitet Karsten Schumann freiberuflich als Dozent, unter anderem mit einer Professur an einer privaten Hochschule.
Für die internationale Ausstrahlung der DHfK stehen allein rund 2000 Teilnehmer aus 90 Nationen in den Kursen unter dem Rubrum der »olympischen Solidarität«, die dort zu Fachleuten auf dem Gebiet des Sports ausgebildet wurden. National galt die DHfK als Hochschule mit »universeller Konzeption«, die Weltmeister- und Olympiasieger-Macher, selbst in den kleinsten Sportarten und Disziplinen, ausbildete: Trainer und Funktionäre für alle Ebenen sowie Spezialisten für sämtliche Themenbereiche des DDR-Sports, sogar bis zu den Segmenten des Freizeit- und Erholungssports.
Berüchtigte Einheit FKS
Bei Gründung der Einrichtung 1950 unterrichteten zehn Lehrkräfte insgesamt 96 Studenten, im September 1953 kamen die ersten 296 Fernstudenten hinzu. Sieben Jahre später waren es schon 2515 Studenten, davon knapp die Hälfte im Fernstudium. Es gab sieben Außenstellen - in Rostock, Berlin, Magdeburg, Cottbus, Dresden, Karl-Marx-Stadt und Erfurt sowie sechs Konsultationsstützpunkte in Schwerin, Potsdam, Neubrandenburg, Frankfurt (Oder), Oberhof und Jena. Auch das Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport (FKS), das seit Ende 60er Jahre infolge der Konzentration auf den Leistungssport aus der DHfK heraus entwickelt und dann als selbstständige, gut abgeschottete, geheime und auch berüchtigte Einheit wirkte. Dort wurde auch intensiv an Dopingsubstanzen und -methoden gearbeitet. An eine solche komplexe Entwicklung haben die ersten nach dem zweiten Weltkrieg immatrikulierten Studenten des Instituts für Körpererziehung der Humboldt-Universität Berlin garantiert nicht gedacht, als sie im Februar 1949 den Stein für die Leipziger Sport-Universität ins Rollen gebracht hatten.
Einmaliges Leistungssportkonzept
Mit Blick in die Gegenwart und Zukunft des gesamtdeutschen Leistungssports beurteilt Karsten Schumann das DHfK-Aus eher nüchtern. Von einem Status »a.D.« seiner ehemaligen Hochschule, der vielleicht irgendwann von »außer Dienst« wieder auf »aktiv am Netz« umgeschaltet werden könnte, ist der promovierte Sportwissenschaftler weder beseelt, noch hält er ein solches Szenario für zeitgemäß oder vernünftig. »Die DHfK als Institution war eingebettet in eine historisch einmalige Leistungssportkonzeption. Zudem ist dieser Name untrennbar mit einem umfassenden interdisziplinären Konzept verbunden. Ohne dieses würde eine Neugründung unter anderen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen den Namen beschädigen.« Auch DHfK-Absolvent Lutz Nordmann hält nichts von einer Renaissance dieser vormaligen ostdeutschen Institution. Der 63-Jährige ist heute Direktor der Trainerakademie des Deutschen Olympischen Sport-Bundes in Köln. Zuletzt seien vor der Wende an der Leipziger Hochschule pro Jahrgang knapp 400 Studenten im Direkt- und Fernstudium immatrikuliert gewesen, erzählt Nordmann und fragt: »Wo wollen wir denn heute mit so vielen Absolventen hin?« Die Antwort gibt er gleich selbst: »Für den heutigen Bedarf wäre eine solche Hochschule völlig überdimensioniert. Die Verhältnisse im Spitzensport von heute sind mit damals nicht zu vergleichen.«
Nordmann weiß auch als ehemaliger Sportdirektor des Deutschen Hockey-Bundes bestens um den Wert einer hochklassigen Trainerausbildung. Gerade jetzt, wo bei den wichtigsten Partnern der Athleten enorme Umbrüche und ein Generationswechsel bevorstehen. Das wichtige Thema Trainer, ihre Ausbildung, Rekrutierung und soziale Absicherung, darf im deutschen Spitzensport der Gegenwart nachgerade als »Großbaustelle« bezeichnet werden. In Sachsen ist beispielsweise aktuell mehr als ein Viertel der 161 landesfinanzierten Trainerinnen und Trainer älter als 55 Jahre. Im gesamten deutsche Sportsystem ist derzeit fast die Hälfte der knapp 3500 von Bund, Ländern oder der Bundeswehr finanzierten Bundes- und Landestrainer über 50 Jahre alt. Nordmann zufolge müssten im Durchschnitt Jahr für Jahr etwa 120 Trainerinnen und Trainer ersetzt werden, um den Altersübergang zu beherrschen.
Woher aber so viel und dringend benötigtes Fachpersonal nehmen? »Dafür müsste der organisierte Sport zum Beispiel Fachhochschulen oder Universitäten einladen oder auch verstärkt regionale Partner einbeziehen. Das ist ein schwieriger, steiniger Prozess«, betont Nordmann. Seine Trainerakademie in Köln mit nur 30 Absolventen pro Jahrgang kann dies unmöglich leisten, sie ist für diese Bedürfnisse der leistungssportlichen Praxis mehr als eine Nummer zu klein. Die DHfK nach ihren früheren Dimensionen wiederum wäre mit diesem Bedarf deutlich unterfordert und einige Nummern zu groß. »Ein Gebilde irgendwo dazwischen wäre vielleicht sinnvoll«, meint Karsten Schumann. »Aber bitte nicht unter dem Kürzel DHfK.«
Der Name lebt in großer Vielfalt weiter
Die einst weltbekannte Abkürzung lebt derweil weiter im Sportclub DHfK Leipzig e.V., der am 20. September 1954 das Licht der Sportwelt erblickt hatte. Mit knapp 6500 Mitgliedern ist er unter den 4453 Sportvereinen im Freistaat Sachsen momentan die Nummer vier. 18 Abteilungen vereint der SC DHfK unter seinem Dach - darunter die Bundesliga-Handballer, die sich seit Jahren hervorragend entwickeln und an diesem Donnerstag mit einem Heimsieg gegen Göppingen ihre Spitzenposition in der Tabelle festigen können. Aber auch Kindersport, Fitness und Gesundheit werden großgeschrieben. Und mit Sparten wie Floorball, Flossenschwimmen, Inlineskating oder Synchronschwimmen wird im Verein weiterhin der Sport in seiner ganzen Vielfalt gefördert - ganz nach dem Vorbild der 1950 eröffneten und 1990 geschlossenen Hochschule.
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