Stromnetz wird Berliner

Der schwedische Staatskonzern Vattenfall hat dem Land ein Kaufangebot unterbreitet.

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Angebot Vattenfalls ging in der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen um 9.30 Uhr am Freitag ein. In dem brisanten Schriftstück bietet der schwedische Staatskonzern dem Land Berlin an, das Berliner Stromnetz zu hundert Prozent zu übernehmen, das bisher von der Vattenfall-Tochter Stromnetz Berlin (siehe Kasten) betrieben wird. »Es war eine schwierige Entscheidung für Vattenfall, Stromnetz Berlin zum Verkauf zu stellen. Denn wir blicken mit Stolz auf das grundsolide und gut geführte Unternehmen mit seiner hochkompetenten und engagierten Belegschaft und seinem exzellenten Führungsteam«, erklärte Magnus Hall, der Hauptgeschäftsführer und Präsident der Muttergesellschaft Vattenfall AB.

Hintergrund für das Einlenken des Energiekonzerns sind offenbar die jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen um das Stromnetz in Berlin. Obwohl Vattenfall zuletzt immer wieder erfolgreich vor Gericht war, sieht das Unternehmen keinen Sinn darin, den Konflikt weiter auszutragen. »Die Aussicht auf weitere Jahre gerichtlicher Auseinandersetzung stellen nicht nur eine Belastung für das Unternehmen dar, sondern erschweren auch Entscheidungen über die anstehenden Milliardeninvestitionen«, sagte Magnus Hall. Daher sucht Vattenfall nun mit dem Land Berlin in Hinblick auf eine fossilfreie Zukunft eine Kooperation. In einer adhoc einberufenen Pressekonferenz am Freitagmittag erklärte ein sichtlich erfreuter Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD): »Heute ist ein Tag, wo wir eine sehr gute Nachricht für die Stadt haben.« Ein 100-Prozent-Übernahmeangebot für das Stromnetz sei eine sehr gute Nachricht. Das Land Berlin, so Müller, habe nun eine Chance, den Umweltschutz und die Klima- und Energiewende voranzubringen. Berlin könne perspektivisch nun endlich weg vom Kohle- und Atomstrom kommen.

Berliner Stromnetz
  • Das Berliner Stromnetz mit seinen Kabeln und Leitungen ist insgesamt 35 088 Kilometer lang. Im Netzgebiet leben über 3,6 Millionen Menschen. Der Verkabelungsgrad liegt bei 98 Prozent. Betreiber und Konzessionsinhaber des Netzes war bislang die Stromnetz Berlin, ein Tochterunternehmen des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall. 
  • Der Netzbetreiber hat derzeit 1285 Mitarbeiter. Die Vattenfall-Tochter investierte zuletzt nach eigenen Angaben etwa 200 Millionen Euro in Netzertüchtigung, Netzausbau und Digitalisierung. Vor Kurzem startete das Unternehmen den sogenannten Smart-Meter-Rollout, dabei werden für große Stromabnehmer digitale Messgeräte installiert, die Zählerstände übertragen können. Die Bundesnetzagentur bewertet die Stromnetz Berlin als hocheffizientes Unternehmen. mkr

Die Rekommunalisierung des Stromnetzes, das Berlin Mitte der 1990er Jahre privatisiert hatte, ist ein langfristiges Ziel des Senats. Seit 2012 wurde bereits ein landeseigenes Unternehmen, die Berlin Energie, aufgebaut, das sich für die Stromnetzkonzession beworben hat. Nachdem die Konzession bereits 2014 ausgelaufen war, bekam nach einem langwierigen Verfahren die Berlin Energie die Konzession zugeschrieben, bis heute durfte das Netz aber nicht wieder verstaatlicht werden. Mit dem Verkaufsangebot Vattenfalls dürfte sich das nun schnell ändern. Doch bis das Stromnetz wieder Berliner wird, müssen noch einige Dinge geklärt werden.

»Wir streben an, die Übernahme zum 1. Januar 2021 zu machen«, sagte Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), der die Details für die Übernahme inklusive aller Mitarbeiter aushandeln soll. Unklar ist, wie viel das Stromnetz wert ist. Schätzungen zufolge liegt der Wert zwischen einer und drei Milliarden Euro. Ein unabhängiger Gutachter soll jetzt zeitnah eine Bewertung des Netzes und seiner zahlreichen Anlagen vornehmen. Die Einschätzung des Gutachters soll dann den Kaufpreis abbilden. »Wir zeigen mit den kommunalen Unternehmen, dass wir bei den Themen Infrastruktur und Daseinsvorsorge nach vorne gehen«, sagte Kollatz. Auch der Regierende Bürgermeister betonte: In der Coronakrise habe sich gezeigt, wie wichtig kommunale Partner wie die Charité und Vivantes für den Senat seien. Auch bei der Energiewende brauche es solche Partner, die für die Stadt investieren und nicht in der Hauptsache auf einen Konzerngewinn schauen. Mit dem Ankauf des Stromnetzes löst Rot-Rot-Grün auch das Ansinnen des 2013 nur knapp gescheiterten Volksentscheides Energie ein, der eine Rekommunalisierung zum Ziel hatte.

Während die Oppositionsparteien FDP und CDU am Freitag vor voreiligen Zusagen und finanziellen Belastungen durch den Ankauf des Stromnetzes warnten, signalisierten die Koalitionspartner der SPD in Berlin, Linkspartei und Grüne, große Zustimmung zu dem sich anbahnenden Deal. »Rot-Rot-Grün macht damit einen riesigen Schritt bei der Rekommunalisierung der grundlegenden Infrastruktur Berlins«, erklärten der Fraktionsvorsitzende und der Energieexperte der Linksfraktion, Carsten Schatz und Michael Efler. Damit die Infrastruktur allen Menschen zu Gute kommt, müsse sie in die Öffentliche Hand. Die Übernahme des Stromnetzes sei auch ein wichtiger Schritt hin zum Ziel eines integrierten Netzbetriebes aller Energienetze.

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