Die Ruhe ist vorbei

Sanierung besorgt Mieter in Berlin-Pankow

  • Georg Sturm
  • Lesedauer: 4 Min.

»Seit Anfang August wird bei uns im Haus von früh morgens bis spät nachmittags lautstark gebohrt und gehämmert, jeden Tag von Montag bis Samstag«, sagt Ruth, die nicht mit ihrem ganzen Namen in der Zeitung stehen möchte. Die Mieterin sitzt im gemeinsamen Innenhof der Pankower Häuser Mendelstraße 7 und 9. Vor ihr ein Notizblock, indem sie detailliert dokumentiert, wann Baulärm zu hören ist. Heute sei es ihr kaum möglich gewesen, im Homeoffice an einer Telefonkonferenz teilzunehmen, da man wegen des Lärms aus der Wohnung über ihr kaum das eigene Wort verstanden habe.

Vor etwa 15 Jahren ist Ruth in das Mietshaus gezogen, das damals noch dem inzwischen 95-jährigen Alteigentümer gehörte. Im Mai vergangenen Jahres verkaufte dieser die beiden Häuser mit zusammen 30 Wohnungen an die Wohninvest Prio GmbH, eine Tochtergesellschaft der Mähren AG. Gründer des Unternehmens, das angibt, über mehr als 2000 Wohnungen zu verfügen, ist der Immobilieninvestor Jakob Mähren.

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»Wir befürchten, dass die beiden Häuser in Eigentumswohnungen aufgeteilt und teuer weiterverkauft werden sollen«, erzählt Christiane, die seit 1994 dort wohnt. Der Grund für den Verdacht: die lautstarken Bauarbeiten seit August. In den Treppenhäusern sei der Putz abgeschlagen worden, Bauschutt und Zementstaub verschmutzten seitdem die Aufgänge. Abwasserrohre, Bauzäune, Metallstangen und andere Materialien im Hof sowie Schuttcontainer vor dem Haus zeugen von weiteren Maßnahmen. Mehrere Wohnungen wurden vollständig entkernt, obwohl diese teilweise bis vor kurzem bewohnt worden und in gutem Zustand gewesen seien.

Trotz der laufenden Arbeiten haben die Mieter*innen bis heute keine Sanierungsankündigung erhalten – obwohl der Vermieter rechtlich dazu verpflichtet ist, dies bis zu drei Monate vor Beginn zu tun. Die russischsprachigen Bauarbeiter hätten ebenfalls keine Auskunft über Art und Anlass der Maßnahmen geben können, berichten die Bewohner*innen des Hauses. »Wenn man davon geweckt wird, dass morgens vor dem Schlafzimmerfenster mit erheblichem Lärm Baucontainer geleert werden und in der Nachbarwohnung die Wände herausgerissen werden, ist das ein massiver Eingriff in die Lebensqualität und die Wohnung ist nur noch sehr eingeschränkt nutzbar«, stellt Ruth fest.

Manche Maßnahmen wirken wie Schikane: So seien die Schlösser des Fahrradraums und des Hofdurchgangs ausgetauscht worden, so dass die Fahrräder vom Hof über zwei Treppen zur Straße getragen werden mussten. Nach einer Beschwerde über fehlende Fluchtwege bei der Bauaufsicht sei zumindest der Zugang zum Hof wieder geöffnet worden. Da die Kellertüren seit Beginn der Bauarbeiten offen stünden, sei in ein Abteil eingebrochen worden. Die Bewohner*innen behalten sich vor, die Miete wegen der Einschränkungen gegebenenfalls zu kürzen.

»Wir haben Sorge, dass hier schnell alles so hergerichtet wird, dass es hübsch aussieht, aber nicht unbedingt fachlich korrekt«, sagt Ruth. Die hervorragende Altbausubstanz der Wohnungen, die den Krieg und die DDR größtenteils unbeschadet überstanden habe, werde unwiederbringlich vernichtet, um die Sanierung so billig wie möglich zu halten. Zudem befürchteten die Mieter*innen des Hauses, »dass nach dem Verkauf der Wohnungen die Firma wieder von der Bildfläche verschwindet, so dass auch keine Ansprüche mehr an gegebenenfalls auftretende Mängel geltend gemacht werden können«.

Um eine etwaige Verdrängung zu verhindern, haben sich die Hausbewohner*innen einen Verein gegründet. Seitdem treffen sie sich regelmäßig und sind außerdem der Berliner Mietergemeinschaft und der Initiative 200 Häuser beigetreten. Das berlinweite Netzwerk wehrt sich gegen spekulative Verkäufe von Wohnhäusern, gegen die Umwandlung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen und gegen die Verdrängung.

Das Ziel der Bewohner*innen der Mendelstraße: »Wir bleiben in unseren Wohnungen und kämpfen dafür, dass beide Häuser mit allen Wohnungen in eine gemeinwohlorientierte Genossenschaft überführt werden.« Da sie knapp außerhalb des Milieuschutzgebiets liegen, hat der Bezirk kein Vorkaufsrecht. Mit der Genossenschaft Am Ostseeplatz eG gibt es eine potenzielle Käuferin. »Wenn schon verkauft wird, warum nicht dahin, wo es dem Gemeinwohl dient«, sagt Mieterin Weise. Schließlich werbe der Eigentümer damit, sich mit der »Jakob Mähren Stiftung« sozial und gemeinnützig zu engagieren.

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