• Politik
  • Flughafen Berlin-Brandenburg

Pinguine gegen lärmende, fliegende Klimakiller

Umweltaktivisten, Flughafengegner und Luftfahrtkritiker kündigen Protest gegen BER-Eröffnung an - auch ein Konvoi wütender Taxifahrer hat sich am 31. Oktober angesagt

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Eröffnung des Hauptstadtflughafens BER ist aus Sicht seiner Kritiker und Gegner der geeignete Moment, um aus jeweils ganz unterschiedlichen Motiven öffentlichkeitswirksam Einspruch zu erheben. Im Interesse des Klimas, der Umwelt, der lärm- und schadstoffgeplagten Anwohner oder auch von gefrusteten Steuerzahlern. Und so wird Schönefeld, wenn am 31. Oktober die ersten Passagierjets den neuen Flughafen ansteuern, an dessen Zufahrten und vor den Terminals einen vielstimmigen Protest erleben. Entsprechende Aktionen hatten Verbände und Initiativen bereits vor Tagen angekündigt.

Die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg reagierte gefasst auf die Ankündigung von Manifestationen, Protestmärschen und Blockaden. Der knappe Kommentar von Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup lautete zu Wochenbeginn: »Wir sind ein freies Land.« Sein Sprecher Daniel Tolksdorf sagte auf Anfrage: »Die Aufrufe sind uns bekannt, und wir nehmen sie ernst.« Mit den Sicherheitsbehörden sei man in Kontakt. Lapidar auch die Reaktion der Polizei: Im Präsidium Potsdam hieß es vor Tagen, man sei auf Kundgebungen vorbereitet, passe die jeweiligen Maßnahmen der Lage entsprechend an.

Auf der Plattform der luftverkehrskritischen Gruppe »Am Boden bleiben« informierten nun am Mittwoch Initiativen der Klimagerechtigkeitsbewegung und Bürgerinitiativen über vielfältige zur Eröffnung geplante Protestaktionen. Für Samstagmittag haben sie zu einer gemeinsamen Pressekonferenz vor dem BER-Terminal 1 eingeladen.

Die Aktivisten von »Am Boden bleiben«, die sich als Teil eines internationalen Netzwerks verstehen, haben für diesen Tag die Blockade der Eröffnung angekündigt. »Der BER scheitert seit neun Jahren daran, zu eröffnen«, erklärte Sprecherin Lena Tucnak. »Wir sorgen dafür, dass es auch dieses Mal nicht klappt, und zwar weil ein neuer Flughafen in Zeiten der Klimakrise absoluter Wahnsinn ist. Wir brauchen nicht mehr, sondern weniger Flughäfen.« Dem »nd« sagte Tucnak, die Gruppe werde zivilen Ungehorsam an relevanten Orten des BER demonstrieren, so dass die Eröffnung nicht stattfinden könne. Kostümiert als Pinguine, die den Widerstand gegen den Flugverkehr symbolisieren. »Die coolsten Vögel bleiben am Boden«, laute ihr Motto. Sie rechne mit »mehreren Hundert Pinguinen«, sagte die Sprecherin.

Der Mitteilung der Initiativen zufolge werden am Samstag parallel zur Blockade ab zehn Uhr am bisherigen Flughafenbahnhof Schönefeld Aktivisten von Fridays for Future Berlin, Extinction Rebellion, der BUND-Jugend aus Berlin und Brandenburg sowie von weiteren Initiativen eine Demonstration unter dem Motto Abgehoben starten. Eine gleichlautende Fahrraddemo macht sich zeitgleich am Platz der Luftbrücke auf den Weg.

Die als »Aktionsbündnis Berlin Brandenburg« auftretende Bürgerinitiative von Flughafenbetroffenen hat ihre Anhänger aufgerufen, sich ab zehn Uhr am BER-Terminal 1 zu versammeln. Und obwohl wegen der Eröffnungszeremonien das Flughafengebäude am 31. Oktober noch bis zum Abend für die Öffentlichkeit geschlossen bleibt, will die Grüne Jugend aus Brandenburg und Berlin für ihre Forderung »Züge statt Flüge« sogar ab elf Uhr im Terminal 1 demonstrieren, wie es heißt.

Dass in Zeiten der Corona-Pandemie viel weniger geflogen wird, mindert zwar die Schadstoff- und Lärmbelastung der Umwelt. Nachhaltig ist dieser Effekt aus Sicht von Klimaaktivisten jedoch nicht, solange die Luftfahrtbranche weitermachen würde wie zuvor, wenn die Krise erst ausgestanden ist. Die Initiative »Am Boden bleiben« fordert daher unter anderem eine drastische Reduktion der Luftfahrt, die Einstellung von Inlandsflügen, ein Ende der Subventionen für die Flugindustrie, den Ausbau von klimagerechten Alternativen und eine echte Mobilitätswende.

Für Dissonanzen bei der BER-Eröffnung dürfte tagsüber auch eine Gemeinschaftsaktion der Bürgerinitiativen und Bündnisse gegen Fluglärm der Hauptstadtregion vor der großen Glasfassade des Terminals 1 sorgen. Adressaten ihres Protests sind die Landesregierungen und die Abgeordneten, denen sie vielfaches Versagen und Fehlentscheidungen vorwerfen. Zu ihren Kernforderungen zählen ein Luftverkehrskonzept, das stadtferne Standorte und ein Nachtflugverbot vorschreibt, der Verzicht auf Kurzstreckenflüge zugunsten des Schienenverkehrs und der Stopp der Subventionierung des Flughafens.

Bis zu 1000 Berliner Taxifahrer treibt weniger das Klima als vielmehr ihr Lebensunterhalt auf die Straßen zum BER. Gemeinsam wollen sie am Samstag dagegen protestieren, dass zunächst nur 300 ihrer Kollegen die Genehmigung erhalten, am BER Fahrgäste aufzunehmen - so wie es auch nur 300 Fahrer aus dem Landkreis Dahme-Spreewald dürfen. So regelt es der jüngste im Dauerstreit zwischen Berlin und dem Kreis erzielte Kompromiss.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -