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Alles richtig gemacht - und doch verloren
Den deutschen Profisport ärgert das neue Zuschauerverbot, die guten Hygienekonzepte bleiben unbeachtet
schon eine Weile ist es her, dass Frank Bohmann zur Schule ging, aber am Donnerstag hat der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL) mal wieder daran gedacht. »Es fühlt sich so wie früher in der Klasse an, wenn einer was angestellt hat und alle dafür bestraft wurden«, sagt Bohmann, als er sich zur politischen Anordnung äußerte, nach der die Profisportligen im Monat November zwar ihren Spielbetrieb fortsetzen, aber keine Zuschauer zulassen dürfen.
Die Profiklubs außerhalb der 1. und 2. Fußball-Bundesliga kämpfen seit dem Ausbruch der Pandemie im Frühjahr ums finanzielle Überleben, mittlerweile drohen sportartenübergreifend Insolvenzen. Die fehlenden Einnahmen bei Heimspielen verschärfen die ohnehin schon angespannte Lage. Das ist vor allem deshalb schmerzhaft, weil eine wissenschaftliche Studie gerade nachgewiesen hat, dass ein Ansteckungsrisiko bei Veranstaltungen mit Hygienekonzepten verschwindend gering ist.
Handball-Boss Bohmann kennt die Ergebnisse der Studie der Universitätsmedizin in Halle (Saale). »Die Gefahr in einer Halle ist geringer als beim Einkaufen oder beim Busfahren«, sagt Bohmann. Am Donnerstag stellten die Forscher in Halle die Erkenntnisse vor, die sie bei einem Konzert des Sängers Tim Bendzko im August gesammelt hatten. In verschiedenen Szenarien und bei unterschiedlicher Hallenauslastung wurden Anzahl und Intensität der Kontakte aufgezeichnet, die Besucher zueinander hatten. Das Resultat: »Es könnten Veranstaltungen unter bestimmten Bedingungen auch in der Pandemie-Situation stattfinden. Die wichtigste Erkenntnis war für uns, wie groß die Auswirkungen einer guten Belüftungstechnik sind. Diese ist für das Ansteckungsrisiko eine entscheidende Schlüsselkomponente«, erklärt Studienleiter Stefan Moritz. Seinen Informationen zufolge wurden »Daten generiert, mit denen wir politische Entscheidungen auf wissenschaftlicher Basis fällen können«. Die Botschaft: Bei Umsetzung von Hygienekonzepten stellen Veranstaltungen mit Zuschauern keine Gefahr dar - und derlei Hygienekonzepte haben alle Profisportligen ausgearbeitet.
Das Problem aus Sicht der Profivereine, die sich wie die Veranstaltungsbranche insgesamt einen positiven Effekt von der Studie erhofft hatten: Bei den politischen Entscheidungen von Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin am Mittwoch spielten wissenschaftliche Erkenntnisse in diesem Bereich eine untergeordnete Rolle, weshalb sich Bohmann an die eigene Kindheit erinnert fühlte. Weil private Kontakte im Monat November stark eingeschränkt werden sollen, erlaubt die Politik auch keine Veranstaltungen mit Zuschauern. Ein Entschluss, der aus emotionaler Sicht sinnvoll ist, den Profisport aber zusätzlich unter Druck setzt.
»Wir halten das nicht lange durch«, vermutet Markus Kompp, Geschäftsführer des Fußball-Drittligisten SV Waldhof Mannheim: »Für uns ist das eine Katastrophe.« Wie alle Klubs in der dritten deutschen Profiliga haben die Mannheimer Einsparungen vorgenommen und vorsichtig kalkuliert, aber dauerhaft kommen sie ohne Zuschauereinnahmen nicht aus. Auch Sponsoren können nicht ins Stadion, was zusätzliche Lücken in das Budget der Klubs reißen wird. Ein Liga-Insider rechnet noch vor Weihnachten damit, dass einzelne Klubs in die Insolvenz gehen müssen.
Ein Horrorszenario, dass ebenso in den anderen Sportarten droht. »Das kann man nicht ausschließen. Wir sind am Ende der Möglichkeiten angekommen«, sagt HBL-Boss Bohmann. Seit März haben sich die Vereine aus Fußball, Handball, Basketball, Eishockey und Volleyball gegen die Folgen der Krise gewährt. Die Sportler akzeptierten Gehaltseinbußen, Mitarbeiter befinden sich zum Teil seit Monaten in Kurzarbeit. Die Liquidität nimmt dennoch zusehends ab, die Rücklagen sind längst aufgebraucht. Insolvenzen von Vereinen sind absehbar, nur der Zeitpunkt scheint offen.
Stefan Holz, Chef der Basketball-Bundesliga, hofft deshalb, dass angekündigte Staatshilfen bald bei den Klubs ankommen. »Wir brauchen jeden Euro«, sagt Holz. Bis zu 800 000 Euro stehen den Vereinen grundsätzlich bereits zur Verfügung, doch bürokratische Hürden machten es den Klubs schwer, an die Mittel zu gelangen. »Die Staatshilfen würden uns etwas Luft geben«, erklärt auch Jennifer Kettemann, Geschäftsführerin des zweifachen Handballmeisters Rhein-Neckar Löwen. »Es ist der nackte Kampf ums Überleben.«
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