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Flickenteppich bei den Schutzmaßnahmen
Bildungsgewerkschaft GEW erneuert Kritik am Corona-Stufenplan für die Berliner Schulen
Die Kritik der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) an dem Corona-Stufenplan der Senatsbildungsverwaltung reißt nicht ab. Wie berichtet, hatten sich die Gesundheitsämter und Schulaufsichten Ende vergangener Woche erstmals darauf verständigt, ob und an welcher der 874 Berliner Schulen von diesem Montag an verstärkte Schutzmaßnahmen umgesetzt werden müssen. Im Ergebnis bleibt dabei für den Großteil der Schulen alles beim Alten, nämlich der zweitniedrigsten Stufe Gelb.
»Seit Freitag kriegen wir zahlreiche Rückmeldungen von Kolleginnen und Kollegen an den Schulen, die die Einstufungen überhaupt nicht nachvollziehen können«, sagt Berlins GEW-Chef Tom Erdmann zu »nd«. Auch ihm sei reichlich unklar, »auf welcher Basis die Eingruppierungen zustande gekommen sind«. Von den versprochenen »schulscharfen« Trennungen - also der individuellen Einstufung jeder einzelnen Einrichtung - könne kaum die Rede sein. Für Kopfschütteln sorgt bei der GEW vor allem der Umstand, dass die Entscheidungen der jeweiligen Gesundheitsämter extrem unterschiedlich ausgefallen sind und sich »nur bedingt« mit dem bezirklichen Infektionsgeschehen decken würden.
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Tatsächlich wurden etwa in Reinickendorf pauschal für alle Schulen des Bezirks verstärkte Schutzmaßnahmen angeordnet, während in Neukölln bei größerem Infektionsgeschehen nur für vier weiterführende Schulen eine erhöhte Warnstufe gilt - und in den meisten Bezirken zumindest bei den allgemeinbildenden Schulen gar keine Veränderungen vorgenommen wurden. Letztlich, so Gewerkschafter Erdmann, sehe er sich angesichts der zum Teil »völlig schleierhaften« Einstufungen in seiner Kritik am Stufenplan bestätigt. Es brauche in dieser Hinsicht »transparente und einheitliche Kriterien«.
Unverständnis anderer Art kommt von der Vereinigung der Oberstudiendirektoren des Landes Berlin. »Die GEW mag recht haben, dass für die Einstufung Kriterien fehlen«, sagt deren Vorsitzender Ralf Treptow zu »nd«. Gleichwohl würde das allein das Problem des nun entstandenen »Flickenteppichs« nicht lösen. Entscheidend sei vielmehr, den einzelnen Schulleitungen die Entscheidungen zu übertragen. Schließlich seien sie es und nicht die Ämter, die das Infektionsgeschehen vor Ort am besten einschätzen könnten. »Natürlich sind die Schulleiter die einzigen Gesundheitsexperten, wenn es um die konkrete Schule geht«, so Treptow.
Im Haus von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) reagiert man gelassen auf den Unmut. Es sei zwar durchaus »auffällig«, dass in einigen Bezirken stärker differenziert wurde als in anderen. Aber in Reinickendorf beispielsweise handele sich um ein »präventives Vorgehen« des Gesundheitsamtes, was auf eine »starke Zunahme der Infektionszahlen im Bezirk« zurückzuführen sei, so Scheeres’ Sprecher Martin Klesmann zu »nd«. Insgesamt sei man jedenfalls »mit den Ergebnissen der Einstufungen zufrieden«.
Auch Landeselternsprecher Norman Heise mag die Kritik der GEW nicht teilen. Ja, es gebe in dem Plan keine konkreten Vorgaben, beispielsweise ab einer 7-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner automatisch in eine andere Stufe zu schalten. Das sei aber auch sinnvoll, will man für jede Schule eine individuelle Lösung finden. Anders als bei der GEW seien beim Landeselternausschuss auch keine »Unmengen an Beschwerden« eingegangen. Sicher gebe es hier und da auch Forderungen, möglichst sofort in Alarmstufe Rot zu gehen und berlinweit zu einer Mischung aus Präsenzunterricht und Daheimbeschulung zurückzukehren. Das sei aber zu kurz gedacht, so Heise: »Wenn einzelne Eltern sagen, bei uns würde das funktionieren mit dem Hybridunterricht, und fordern, das auf die ganze Stadt zu übertragen, dann finde ich das unangemessen.«
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