- Politik
- Wahlen in den USA 2020
Die rechte Echokammer
Mit Hass und Lügen spaltet der us-amerikanische Fernsehsender Fox News täglich die Gesellschaft
Joe Biden gilt als eher konservativer Demokrat. Im Wahlkampf gegen Trump wirbt er mit betont moderater Programmatik um die politische Mitte. Doch diesen Eindruck erhält man nur, wenn man sich in den seriösen Medien informiert, die laut Präsident Trump »Feinde des Volkes« sind und »Fake News« verbreiten. Die Wahrheit, die erfährt man auf Fox News. Biden sei nur »ein leeres Gefäß«, teilte dort die Moderatorin Laura Ingraham ihren Zuschauern kürzlich mit. Hinter ihm stehe »eine unheilige Allianz« zwischen »Big Business und der radikalen Linken«, vereint durch »die gemeinsame Feindschaft gegen die amerikanische Mittelschicht«. Biden habe »eine Liebesaffäre mit China«, er werde die amerikanische Industrie endgültig verscherbeln, »das Land, das wir kennen und lieben«, sei dem Untergang geweiht, sollte Trump die Wahl verlieren. Anschließend ist der republikanische Senator Lindsey Graham zugeschaltet, und er und die Moderatorin Ingraham wetteifern darum, Trump in den höchsten Tönen zu preisen. Nur Trump sei nicht von den »special interests« abhängig, also von Lobbygruppen, nur er könne amerikanische Jobs retten, nur er könne sich gegen China durchsetzen.
Diese Art der Berichterstattung, die eines autokratischen Regimes würdig wäre, ist kein Sonderfall auf Amerikas größtem Nachrichtensender. Der Journalismusprofessor Jay Rosen sieht in Fox News nicht ohne Grund eine »Propagandamaschine« und einen »Staatssender«, der zunehmend »mit der Trump-Regierung verschmilzt«. Seit Jahren schon haben Amerikas Konservative eine eigene Parallelöffentlichkeit aufgebaut. Diese rechte »Echokammer« spielt sich immer mehr im Internet ab, doch ihr Herz ist weiterhin der 24-Stunden-Nachrichtenkanal Fox-News. Sollte, wie derzeit viele befürchten, die Wahl knapp ausgehen und Trump den Wahlausgang nicht akzeptieren, würden Millionen Amerikaner ihre Informationen darüber von Fox News beziehen - mit potenziell katastrophalen Folgen für die amerikanische Demokratie.
Jede Woche analysieren Max Böhnel und Moritz Wichmann im Gespräch mit Oliver Kern den US-Wahlkampf. Am 2. November um 18 Uhr schauen "Max und Moritz" in einem Live-Podcast auf die letzten Umfragen und erläutern aus der linken Perspektive, worauf man in der Wahlnacht und in den Tagen danach achten sollte.
Zunehmend stehen sich in den USA zwei politische Stämme gegenüber, die kaum noch in derselben Realität zu leben scheinen. Eine PEW-Umfrage stellte im Januar fest, dass republikanische Wähler fast allen Medien zutiefst misstrauen, nur Fox News nicht. Dem Sender schenken sie zu einem Großteil Vertrauen. Diese Entwicklung hat unter Trump einen Höhepunkt erreicht, sie begann aber schon lange vor ihm. Fox News wurde 1996 von dem internationalen Medienmagnaten Rupert Murdoch gegründet. Murdoch ist für konservative Boulevardmedien bekannt, durch die er immer wieder enge Verbindungen in die Politik suchte - vor allem in Großbritannien. In den 1990ern wollte er etwas Ähnliches in den USA versuchen. Fox News startete mit dem Slogan »Fair and Balanced« - impliziert war, dass Fox endlich der angeblichen liberalen Voreingenommenheit der »Mainstreammedien« entgegentreten würde. So wurde Fox News immer eindeutiger zum Fernsehsender der Republikaner.
Nach dem 11. September begleitete Fox den Krieg gegen den Terror mit hurra- patriotischer Berichterstattung und avancierte zum meistgesehenen Kabelnachrichtensender Amerikas. Als Barack Obama 2008 die Präsidentschaftswahl gewann, wurde der Ton auf Fox News noch einmal rauer und extremer. Der Sender rührte unverhohlen die Werbetrommel für die rechtspopulistische Tea-Party-Bewegung. Der größte Star auf Fox News hieß damals Glenn Beck, der in endlosen wirren Monologen zur besten Sendezeit allerlei »Enthüllungen« an sein Millionenpublikum weitergab: Über den Geheimplan des radikalen Sozialisten Barack Obama, der »weiße Menschen hasst« und der von schattenhaften Kräften kontrolliert werde, etwa von dem »Marionettenspieler« George Soros, ein kaum versteckter Antisemitismus. Glenn Beck wurde schließlich 2011 geschasst.
Doch damit verabschiedete sich Fox News keineswegs von paranoiden Verschwörungstheorien. Ab 2011 wurde Donald Trump regelmäßiger Gast bei der Fox News Morgensendung »Fox and Friends«. Dort gab er alles Mögliche zum Besten, unter anderem den Verschwörungsmythos, der zufolge Barack Obama gar nicht in den USA geboren sei und deshalb überhaupt nicht Präsident sein dürfe. Diese sogenannte »Birther-Theorie« war damals ein zentraler Ausdruck der rassistischen Opposition gegen den ersten schwarzen Präsidenten, und Trump war ihr prominentester Vertreter. Als Trump 2015 für die Präsidentschaftswahl kandidierte, wussten Fox News Zuschauer schon genau, wer er war - und worum es ihm politisch ging.
Schaut man sich ein paar Stunden Fox News an (wie es vermutlich Millionen amerikanischer Rentner jeden Tag tun), stechen weniger einzelne (Falsch-)Informationen hervor, als eine permanente Atmosphäre der Bedrohung. Die Moderatoren reden in einem erregten Stakkato auf die Zuschauer ein und warnen sie vor zahlreichen Feinden und Gefahren: Vor den arroganten »liberalen Eliten«, die auf sie herabsehen und Amerika verachten; den »Migrantenströmen«, die jederzeit die USA zu überfluten drohen; den Kriminellen und »radikalen Antifas«, die Amerikas Straßen unsicher machen - und natürlich den »Medienmob«, der sich gegen Präsident Trump verschworen habe. Amerikanische Medien berichten immer wieder von Menschen, deren Verwandte gewissermaßen von Fox News »übernommen« wurden. Nachdem sie anfingen, täglich Fox News zu schauen, glitten sie immer mehr in die rechte Paranoia ab.
Zu Beginn war Fox News - wie auch fast alle etablierten republikanischen Politiker - noch skeptisch, was Trumps Kandidatur anging. Rupert Murdoch fragte auf Twitter damals: »Wann wird Donald Trump aufhören, seine Freunde lächerlich zu machen, geschweige denn das gesamte Land?« Während des Wahlkampfs 2015 boykottierte Trump den Sender sogar zwischenzeitlich, weil ihm die Berichterstattung nicht gefiel.
Fox News hält sich auch einige Journalisten, die durchaus seriös sind, wie zum Beispiel Chris Wallace, der die erste Präsidentschaftsdebatte moderierte und Trump in Interviews mit kritischen Fragen in Bedrängnis brachte. Zwischenzeitlich zeigte sich Trump sogar erbost, dass Fox News nicht immer hundertprozentig loyal ist, und drohte: »Wir müssen einen neuen Nachrichtensender suchen, Fox arbeitet nicht mehr für uns!« Immer wieder macht Trump Werbung für den neuen Nachrichtensender One American News. Den Sender gibt es seit 2013, ist noch rechter als Fox News, hat jegliche Prätentionen journalistischer Objektivität aufgegeben und steht stramm hinter Trump.
Doch diese gelegentlichen Spannungen zwischen Sender und Präsidenten zeigen bloß, welche grenzenlose Loyalität Trump von konservativen Medien erwartet. Denn inzwischen passt zwischen Fox und Trump kein Blatt mehr. Den Fox-Konkurrenten CNN bezeichnet Trump immer wieder als »Fake News« und hat ihm noch nie ein Interview gegeben. Auf Fox dagegen wird er regelmäßig interviewt und täglich verteidigt und gefeiert.
Sean Hannity - mit seiner täglichen Abendsendung einer der größten Fox-Stars - ist Berichten zufolge ein enger Berater Trumps und telefoniert mehrmals wöchentlich mit dem Präsidenten. Hannity trat sogar einmal bei einer Wahlkampfveranstaltung Trumps auf, wo er den Präsidenten in höchsten Tönen pries und die übrigen Medien als »Fake News« bezeichnete. Der Sender und das Weiße Haus sind geradezu symbiotisch verbunden, auch personell. 2018 wurde zum Beispiel der vormalige Ko-Präsident von Fox News, Bill Shine, vorübergehend »Kommunikationsdirektor« im Weißen Haus.
Trump selbst ist treuer Fox News Zuschauer. Berichten zufolge guckt er jeden Tag mehrere Stunden und lässt sich oft seine Agenda durch das bestimmen, was ihm dort erzählt wird - teilweise kommentiert er das Programm in Echtzeit auf Twitter. Es ist dabei schwer zu sagen, wer hier wem die Richtung vorgibt, ob Fox News Trump die Weltsicht diktiert oder andersherum. Immer wieder gibt es Anzeichen, dass Trump selbst in den Bann von Fox-News-Spins gerät, die eigentlich für seine Anhänger bestimmt sind. Im April unterzeichneten 74 Journalismusprofessoren und Journalisten einen offenen Brief an die Murdoch-Familie, in dem sie Fox News vorwarfen, Falschinformationen über das Coronavirus verbreitet zu haben. Das habe dazu geführt, dass die Zuschauer das Virus nicht ernst genug genommen hätten, mit potenziell gefährlichen Folgen. Zum Fox News Publikum gehörten nicht nur viele ältere Menschen, sondern auch »der Präsident der Vereinigten Staaten«, wie es in dem Brief heißt.
Dieser kollektive Realitätsverlust ist in normalen Zeiten besorgniserregend genug, doch bei der aktuellen Präsidentschaftswahl könnte er dramatische Folgen haben. Viele Liberale in Amerika fürchten derzeit ein Szenario, in dem Trump die Wahl zu manipulieren versucht, indem er sich zum Sieger erklärt, bevor alle Stimmen ausgezählt worden sind. Ähnliches geschah bei der Wahl im Jahr 2000 in Florida. Fox News hatte damals George W. Bush zum Sieger in dem Bundesstaat erklärt. Die übrigen Nachrichtensender folgten der Einschätzung, erst später stellte sich heraus, dass die Wahl noch keineswegs entschieden war. Doch durch Fox News hatte sich der Eindruck festgesetzt, Bush habe schon gewonnen. Kurz darauf entschied der Oberste Gerichtshof, die Auszählung in Florida zu stoppen, Bush wurde Präsident. Pikanterweise war der damals für die Wahl zuständige Journalist bei Fox News der Cousin von George W. Bush. Sollte sich 2020 ein ähnliches Szenario wiederholen, würde Fox News zweifellos eine zentrale Rolle spielen.
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