Auch Schüsse auf Kinder möglich

Die schleswig-holsteinische Landesregierung will ihr Polizeigesetz verschärfen. Bürgerrechtler sehen viele Punkte kritisch

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Landesregierung in Schleswig-Holstein arbeitet seit langem an einem neuen Polizeigesetz. Die Kritik am bisher vorgelegten Regierungsentwurf ist massiv. Insbesondere die Option einer rechtlichen Verankerung des Schusswaffengebrauchs gegen Kinder im Gefahrenfall sorgt für Empörung. Eine mehrstündige Anhörung im Kieler Landtag thematisierte einige Einwände noch einmal.

Eine heftige Kontroverse ist auch aufgekommen, in welcher Art und Weise Schleswig-Holstein als vorletztes Land neben dem Stadtstaat Berlin nun den finalen Rettungsschuss im Polizeirecht verankern will. Insbesondere der Kinderschutzbund in Person von Eberhard Schmidt-Elsaeßer sieht sich in dem umstrittenen Vorhaben als Anwalt für nicht strafmündige Kinder und lehnt den Passus strikt ab. In der Begründung zur vermeintlichen Notwendigkeit der von der Jamaika-Koalition getragenen Maßnahme wird stets das Beispiel von Kindern präsentiert, die von Terroristen zur Ausübung von Anschlägen instrumentalisiert werden. Das ist ein Szenario, das hierzulande so noch nie vorgekommen ist. Daher beruft sich der Abgeordnete Burkhard Peters (Grüne) auch lieber auf Fälle, in denen Kinder Mitschüler in der Schule mit Messern bedroht haben. In der Anhörung nannte die unabhängige Polizeibeauftragte Samiah El Samadoni (SPD) die Schaffung einer Rechtsgrundlage für den Schusseinsatz gegen Kinder ein höchst »fragwürdiges Signal« und wies darauf hin, dass solche Kinder perspektivisch zwar als Täter, zugleich aber auch als Opfer zu betrachten seien. Bereits in der ersten Lesung des entsprechenden Gesetzentwurfes im Landtag sprach die SPD von einer »Verschiebung von ethischen Grenzen«. Unverständnis in diesem Punkt äußerte sogar Stephan Nietz vom Bund deutscher Kriminalbeamter.

Große Bedenken erweckt auch der von der Polizei gewünschte Einsatz von Bodycams in Wohnungen oder Geschäftsräumen, weil damit die grundgesetzlich geschützte Unversehrtheit der Wohnung tangiert werde. Zweifel ob der grundsätzlichen Wirksamkeit des Bodycam-Einsatzes hegt das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen. Experte Tillmann Bartsch führte aus, dass es bis dato keine belastbaren Studien gibt, die eine Deeskalationswirkung durch das filmende Hilfsequipment in Form zurückgehender Straftaten gegen Polizeibeamte belegen. Schleswig-Holsteins CDU will trotzdem am Bodycam-Einsatz auch in Wohnungen festhalten und beruft sich auf den rot-rot-grünen Gesetzentwurf aus Bremen.

Bijan Moini von der Gesellschaft für Freiheitsrechte wies auf mögliche Mängel im Gesetzentwurf bezüglich der Vorverlagerung eines Gefahrenverdachts hin. Die Landesdatenschutzbeauftragte Marit Hansen äußerte ihre Bauchschmerzen für die so formulierten anlasslosen Verdachtskontrollen, nahm das Wort Racial Profiling im Gegensatz zu Moini in diesem Zusammenhang aber nicht in den Mund. Letzterer regte an, sich auch in Schleswig-Holstein über das Bremer Modell von Quittungen bei Polizeikontrollen Gedanken zu machen.

Auch die Gewerkschaft der Polizei und die konkurrierende Deutsche Polizei-Gewerkschaft kamen in der Anhörung zu Wort. Es überraschte dabei nicht, dass beide mehr Befugnisse in der Vorratsdatenspeicherung und bei der Telekommunikationsüberwachung forderten. Außerdem auf dem Wunschzettel: Eine Harmonisierung der föderalen Polizeirechte der Länder.

Widerstand gegen die schleswig-holsteinische Polizeirechtsreform artikuliert vor allem ein außerparlamentarisches Bündnis. Dieses spricht von einer unnötigen Polizeirechtsverschärfung ohne wirklichen Handlungsbedarf. Dabei verweist man auf die letzte landesweite Kriminalitätsstatistik, die mit historischen Niedrigdaten gespickt ist.

Die Piratenpartei benennt einen weiteren Kritikpunkt mit der Ergänzung des künftigen polizeilichen Instrumentekastens in Form des Distanz-Elektro-Impulsgerätes, landläufig besser als »Taser« bekannt. Susanne Spethmann aus dem Landesvorstand der Linken ergänzt die Liste der geplanten Maßnahmen wie die Anordnung von medizinischen Untersuchungen ohne Einwilligung der Betroffenen beziehungsweise die Möglichkeit, Menschen die Teilnahme an Demonstrationen zu verbieten - also quasi legalisierte Aufenthaltsbeschränkungen.

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