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Dänemark opfert seine Nerze
WHO zählt mittlerweile sechs Länder, in denen Covid bei Zuchttieren nachgewiesen wurde
Bisher lag es außerhalb der Fantasie eines jeden dänischen Staatsministers, eine Pressekonferenz zu Nerzen abhalten zu müssen. Doch 2020 fällt in eine besondere Kategorie, und so fiel es in das Los von Mette Frederiksen, das vorläufige Ende eines Erwerbszweiges vor laufender Kamera ankündigen zu müssen. Am Mittwochabend musste sie die Notschlachtung von 17 Millionen Tieren innerhalb von zehn Tagen bekanntgeben. Diese rigorose Maßnahme wurde notwendig, nachdem Nerze eine neue Covid-19-Mutation entwickelten, die bereits auf zwölf Menschen übertragen wurde. Großbritannien erließ am Samstag ein Einreiseverbot für Dänen.
Das dänische Seruminstitut machte bereits im Frühling während der ersten Corona-Welle eine beunruhigende Entdeckung: Das Virus kann von Menschen auf Nerze und von Nerze auf Menschen übertragen werden. Schon damals zögerten die Behörden nicht und ordneten die Notschlachtung der befallenen Bestände an. Mit Quarantäne und beschränktem Zugang zu den Pelzfarmen wurde gehofft, die Infektion von weiteren Beständen fernzuhalten, doch diese Hoffnung erwies sich als trügerisch. Die Situation spitzte sich im September und Oktober zu, als die Infektionswelle von einer Farm zur anderen übergriff. Die Farmen befinden sich meist in Nordjütland und liegen oft im Abstand von wenigen Kilometern.
Mittlerweile gibt es auch in anderen Ländern infizierte Nerze. Die Weltgesundheitsorganisation WHO teilte am Samstag mit, dass das Virus auch in den Niederlanden, Italien, Spanien, Schweden und den USA nachgewiesen worden sei. Mit einer Ausnahme sind die weltweit beobachteten Coronaviren in Nerzen laut der WHO weitgehend »ähnlich« zu anderen verbreiteten Varianten von Sars-CoV-2. Lediglich die »Cluster 5« genannte Mutation des Virus in Dänemark sei besorgniserregend: Mögliche Auswirkungen auf die Diagnostik, Therapien und die Wirksamkeit von Impfstoffen seien weitgehend unerforscht und »noch nicht gut verstanden«, warnte die WHO. Wissenschaftler befürchten, dass die »Cluster 5«-Mutation die Wirksamkeit künftiger Impfstoffe beeinträchtigen könnte.
Die Experten rätseln immer noch, warum die Ausbreitung sich nicht stoppen ließ. Als Träger werden streunende Katzen, Füchse oder Frettchen vermutet, deren Genetik sie für Coronainfektionen empfänglich macht. Als wahrscheinlicher wird es jedoch angesehen, dass die Krankheit mit Futterwagen beziehungsweise über infizierte Personen von Farm zu Farm weitergetragen wurde.
Gegenwärtig sind etwa ein Drittel der rund 900 Pelztierfarmen betroffen. Die Gesundheitsbehörden sind mit Unterstützung des dänischen Katastrophenschutz seit Wochen damit beschäftigt, die Tiere auf diesen Farmen notzuschlachten. Als Vorsichtsmaßnahme wurde zudem angeordnet, dass auch Nerze aus Farmen geschlachtet werden müssen, wenn auf einer anderen Farm in Radius von bis zu 7,8 Kilometern der Virus festgestellt wurde. So wurden bereits schätzungsweise zwischen zwei und vier Millionen Tiere notgeschlachtet.
Bisher hatten die Züchter darauf gehofft, dass gesunde Zuchttiere von den Notschlachtungen ausgenommen werden würden, damit sie nach dem Ende der Epidemie wieder einen Neustart machen können. Diese Hoffnung wurde zunichte gemacht, als Ministerpräsidentin Frederiksen erklärte, dass die neue Covid-19-Variante Dänemark eine Verantwortung nicht nur für die eigene Bevölkerung, sondern im globalen Maßstab auferlegt. Befürchtet wird, dass Nordjütland bei nur zögerlichem Eingreifen sich zu einem neuen Wuhan entwickeln könnte. Deshalb sollen die Gesundheitsbehörden und der Katastrophenschutz vom Heer und von der Heimwehr unterstützt werden bei den Tötungen. Durchgeführt werden diese unter polizeilicher Aufsicht, da befürchtet wird, dass um ihre Existenz bangende Züchter den zivilen Behörden den Zutritt verweigern könnten. Die Bürger der betroffenen Gebiete wurden aufgefordert, sich weitestgehend innerhalb der Grenzen ihrer Gemeinden aufzuhalten. Alle Restaurants, Kultur- und Sporteinrichtungen werden für die nächsten vier Wochen geschlossen, während Schulen und Kitas zunächst offenbleiben.
Die beschlossenen Entschädigungsmaßnahmen sind relativ großzügig, und die Züchter können sich zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden. Sie können eine Sofortentschädigung bekommen, die auf dem Durchschnittspreis der letzten Jahre basiert oder eine Abschlagszahlung erhalten und die nächste Zahlung 2021 bekommen, wenn die Weltmarktpreise für Nerzpelze bekannt sind. Finanziell werden die Züchter aber unter Druck kommen, denn Ausgaben wie Pacht und Bankkredite müssen weiterhin bezahlt werden, während Einnahmen in näherer Zukunft ungewiss sind.
Dänemark ist der weltgrößte Produzent von Nerzpelzen mit einem Marktanteil von etwa 40 Prozent. 2019 beschäftige die Branche rund 6000 Personen, die einen Exporterlös von etwa 660 Millionen Euro erzielten. Über Generationen haben die Züchter, deren Farmen oft in Familienunternehmen geführt werden, einen Erfahrungsschatz aufgebaut, der sie zu den Branchenbesten bei der Qualität und Rentabilität machte. Begünstigt wird die Zucht durch die klimatischen Bedingungen mit kühlen Sommern und milden Wintern, die den Nerzen entgegenkommen. Zudem haben in den vergangenen Jahren Norwegen und Schweden auf Druck von Tierschutzverbänden die Zucht weitgehend eingestellt, während die Niederlande ab März 2021 endgültig und Frankreich sie im Gefolge der Corona-Epidemie zumindest zeitweise einstellen will.
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