Ein neues Narrativ

Der nächste US-Präsident ist mit einem detaillierten Programm für Klimaschutz angetreten

  • Christian Mihatsch
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Präsidentschaftswahl in den USA war nicht nur ein Referendum über die Coronapolitik und den Charakter von US-Präsident Donald Trump, sondern auch die erste Klimawahl in der US-Geschichte. Die Klimakrise wurde in beiden Fernsehdebatten zwischen Joe Biden und Trump diskutiert. In den letzten Tagen vor der Wahl setzte Biden zudem auf Werbeclips zum Klima. Auch den Wählern war das Thema wichtig: Knapp zwei Drittel gaben an, sie würden eher einen Kandidaten wählen, der die Stromversorgung komplett auf saubere Energie umstellt, wie eine Umfrage für die britische Zeitung »The Guardian« im September ergab. Mit Trump und Biden hatten sie dann die Wahl zwischen einem Kandidaten ohne Klimaplan und einem mit einem sehr detaillierten Programm.

Welche Teile des Programms Biden umsetzen kann, wird auch vom Ausgang zweier Stichwahlen für den Senat abhängen, die im Januar stattfinden. Für das zumindest symbolisch wichtigste Element braucht er allerdings keine Zustimmung durch den Senat: Den Wiederbeitritt zum Paris Klimaschutzabkommen, das die USA am Mittwoch offiziell verlassen haben. Diesen hat er für seinen ersten Tag im Amt angekündigt. Anschließend müssen die USA wie alle anderen Länder auch ein neues Klimaziel beim UN-Klimasekretariat einreichen. Das alte Ziel sah vor, die Emissionen bis zum Jahr 2025 um 26 bis 28 Prozent im Vergleich zu 2005 zu reduzieren. Welche Reduktion Biden anstrebt, ist aber noch nicht bekannt. Bislang hat er nur gesagt, dass die USA »nicht später als 2050« treibhausgasneutral wirtschaften sollen. Außerdem soll bis 2035 die Stromerzeugung komplett CO2-frei erfolgen. Dabei könnte auch Atomkraft eine Rolle spielen.

Klimaforscher freuen sich deshalb über den Sieg Bidens. »Joe Biden und Kamala Harris können sich jetzt wirklich dafür einzusetzen, dass die ganze Welt auf einen unaufhaltsamen Weg Richtung Ausstieg aus fossilen Brennstoffen gebracht wird«, sagte der Co-Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström. Dies würde die amerikanische Bevölkerung nicht nur vor zunehmenden katastrophalen Waldbränden schützen, wie man sie in den vergangenen Monaten gesehen habe, vor verheerenden Dürren und Wirbelstürmen, vor einem gefährlichen Anstieg des Meeresspiegels an ihren Küsten. »Es würde den USA auch langfristigen Wohlstand sichern«, so Rockström.

Ähnlich sehen es die Klimaschützer in den USA. »Klimawähler - wir haben es geschafft. Dies ist ein Gewinn für menschlichen Anstand, Wissenschaft, Liebe und Mitgefühl über Hass und Angst, Brücken statt Mauern, Empathie und Inklusion über Rassismus und Gewalt«, schrieb die US-Sektion von Greenpeace auf Twitter. Die älteste und größte Naturschutzorganisation der USA, der Sierra Club, gratulierte Biden und Harris und feierte deren »entscheidendes Mandat, sofort Maßnahmen der Exekutive für Klima, saubere Energie und Umweltgerechtigkeit einzuleiten, die jemals durch eine Präsidentschaft vorangetrieben wurden«.

Wie ehrgeizig das neue US-Klimaziel ausfällt, dürfte auch davon abhängen, welche Mittel dem demokratischen Präsidenten zur Verfügung hat. Sein Klimaplan sieht vor, über vier Jahre insgesamt 2000 Milliarden US-Dollar zu investieren. 500 Milliarden Dollar pro Jahr würde rund 2,5 Prozent der US-Wirtschaftsleistung respektive elf Prozent des Staatshaushalts im Jahr 2019 entsprechen. Dem US-Staatshaushalt müssen das Repräsentantenhaus und der Senat zustimmen.

Zumindest erneuerbare Energien erfreuen sich aber auch bei Republikanern großer Beliebtheit und wurden auch unter Trump gefördert. Unklar ist noch, wie die Klimainvestitionen finanziert werden sollen. Biden will Trumps Senkung der Gewinnsteuer für Firmen zurücknehmen und verspricht die Abschaffung aller umweltschädlichen Subventionen. Eine CO2-Steuer oder ein Emissionshandelssystem sind bislang hingegen nicht vorgesehen.

Ein weiteres wichtiges Element wird die Klimadiplomatie sein. Hier hat sich allerdings gezeigt, dass die Welt nicht auf die USA gewartet hat. Während das Pariser Abkommen auch einem bilateralen Deal zwischen den USA und China zu verdanken war, hat China im Oktober nun im Alleingang ein neues, ambitionierteres Klimaziel bekanntgegeben: Das Land will bis »spätestens 2060« die CO2-Emissionen auf Nettonull drücken. Damit reiht sich das Land in eine immer längere Liste von Staaten und Staatengemeinschaften ein, die Klimaneutralität anstreben. Dazu gehören auch die Europäische Union, Japan und Südkorea, die das alle bis zum Jahr 2050 schaffen wollen.

Ob und wie die USA und China beim Klima künftig wieder kooperieren werden, hängt zudem von der allgemeinen Entwicklung der bilateralen Beziehungen ab. Sollten Washington und Peking Interesse an einer Entspannung haben, bietet sich das Klimathema aber als Kooperationsfeld an.

Kleinere Länder mit schwachen Klimazielen wie Australien oder einer an Vandalismus grenzenden Umweltpolitik wie Brasilien dürften hingegen schon in den ersten Monaten der Biden-Administration merken, dass die Umwelt wieder weit oben auf der Prioritätenliste der USA steht. Im Klimaplan des Präsidenten steht: »Biden wird jedes Instrument der US-Außenpolitik nutzen, um den Rest der Welt dazu zu bringen, die Klimaziele parallel mit den USA anzuheben.« Dazu will er in den ersten 100 Tagen einen Gipfel der wichtigsten Staats- und Regierungschefs organisieren. Außerdem plant er die Einführung eines CO2-Zolls ähnlich wie die EU. Besonders CO2-intensive Produkte aus Ländern ohne ausreichende Klimapolitik sollen mit einer speziellen Abgabe belegt werden.

Wichtiger noch als einzelne Maßnahmen ist allerdings das Narrativ, das von dem neuen Präsidenten ausgeht. Hier stärkt der Biden-Sieg das Momentum für mehr Klimaschutz im In- und Ausland. Die Wirtschaft und die Finanzmärkte, Städte, Bundesstaaten sowie Menschen rund um die Welt werden ihre Zukunftserwartungen anpassen und ihre eigenen Klimapläne entwickeln. Erst dadurch wird dann auch Bidens Plan zum Erfolg.

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