»Dieses Land hat sich in ein Gefängnis verwandelt«

Mehr als 800 Festnahmen bei Protesten gegen Lukaschenko / Tichanowskaja hofft auf Treffen mit Biden

  • Lesedauer: 2 Min.

Minsk. Bei erneuten Protesten gegen den autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko sind am Sonntag in Belarus mehr als 800 Demonstranten festgenommen worden. Die Menschenrechtsgruppe Wiasna berichtete von gut 830 Festnahmen in der Hauptstadt Minsk und anderen Städten, wo mehrere tausend Demonstranten auf die Straße gingen. Die im Exil lebende Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja äußerte derweil die Hoffnung auf ein Treffen mit dem gewählten US-Präsidenten Joe Biden.

Die belarussische Polizei fuhr Wasserwerfer im Zentrum von Minsk auf und baute sich mit Schlagstöcken vor den Demonstranten auf. Der mobile Internetzugang wurde eingeschränkt, U-Bahn-Stationen wurden geschlossen, wie AFP-Reporter berichteten. Dennoch versammelten sich mehrere tausend Regierungskritiker, viele trugen die Oppositionsfarben weiß und rot.

Unter den landesweit mehr als 500 Festgenommenen sollen laut der Nachrichtenwebsite Tut.by auch der Olympia-Zehnkämpfer Andrej Krautschanka, die Miss Belarus 2008 Olga Schinikowa und ein Dutzend Journalisten sein. »Dieses Land hat sich in ein Gefängnis verwandelt«, sagte die 65-jährige Demonstrantin Elena Wassilewitsch. Eine »Militärjunta« nehme grundlos Menschen fest, die Belarussen wollten »endlich in einem freien und demokratischen Land leben«, fügte die Rentnerin hinzu.

Die Proteste würden »bis zum Sieg« andauern, kündigte Oppositionsführerin Tichanowskaja am Sonntag an. Die vergangenen 90 Tage hätten gezeigt, dass die Behörden jegliche »Legitimität und Macht verloren« hätten.

Die 38-Jährige, die sich in Litauen aufhält, hoffte zudem auf ein Treffen mit dem gewählten US-Präsidenten Joe Biden. Sie hatte Biden am Samstag zum Wahlsieg gratuliert. Im Onlinedienst Telegram brachte sie ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass Biden »bald den fair gewählten Präsidenten eines neuen und freien Belarus« werde treffen können. Lukaschenko schmähte derweil die Wahl in den USA als »Parodie einer Demokratie«.

Tichanowskaja fügte hinzu, dass Biden bereits »mehrere Male klar Position für die Unterstützung des belarussischen Volks« bezogen habe. In der Vergangenheit hatte Biden angekündigt, als Präsident die Sanktionen gegen Lukaschenkos Regierung auszudehnen.

In den vergangenen drei Monaten haben zehntausende Lukaschenko-Gegner jeden Sonntag gegen die umstrittene Wiederwahl des belarussischen Machthabers protestiert. Die Behörden gehen dabei immer wieder gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vor. Die Wahl vom 9. August wurde von massiven Betrugsvorwürfen überschattet. Die Demonstranten fordern die Machtübergabe an Tichanowskaja. Auch die EU bezeichnete die Abstimmung als weder frei noch fair und verhängte neue Sanktionen gegen politisch Verantwortliche in dem Land. Agenturen/nd

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