Schränke voller Klamotten

Am Mittwoch startet der Dokumentarfilm »Mode.Macht.Menschen«

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.

Fast ein Fünftel der Bevölkerung von Kambodscha arbeitet in der Textilindustrie. Produziert wird Kleidung überwiegend für den europäischen Markt. Die Spottpreise, zu denen Hemden, Kleider und T-Shirts in den hiesigen Läden liegen, sind möglich, weil in den Textilfabriken niedrige Löhne gezahlt werden, die Arbeitsbedingungen sind mies. Dabei boomt der Markt für Fast Fashion. Laut einer Untersuchung der Umweltorganisation Greenpeace gaben die deutschen Haushalte im Jahr 2018 64,9 Milliarden Euro für Bekleidung aus, nur die Hälfte wird regelmäßig getragen, ein Großteil landet im Müll.

Dies ist die Ausgangssituation des Films »Mode.Macht.Menschen«, den die Rosa-Luxemburg-Stiftung produziert hat. Zwei im sozialen Netzwerk Instagram erfolgreiche junge Protagonist*innen hat Filmemacher Patrick Kohl für die Dokumentation im November 2019 auf ihrer Reise nach Kambodscha begleitet: Die Journalistin Helen Fares und der Fashion-Blogger Willy Iffland treffen in dem südostasiatischen Land auf Näher*innen und eine Gewerkschafterin. Sie besuchen kleine Textilunternehmen. Diese unterscheiden sich von den Großfabriken, zu denen auch dieses Filmteam keinen Zugang hatte, durch höhere Arbeitssicherheit und soziale Infrastruktur. Dennoch entsteht auch hier Kleidung in schlecht bezahlter Handarbeit.

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Jede Begegnung wird reflektiert, so bleiben die beiden Reisenden ständig im Fokus. Im positiven Sinn nehmen sie die Zuschauer*innen mit in ihre Gedankenwelt, gleichzeitig bleibt die europäische Brille der einzige Blickwinkel. Die Augenhöhe entsteht allein durch die Kameraführung – die Bilder sind nicht nur eindrucksvoll und zeigen die Schönheit des Landes, der Regisseur verzichtet auch bei den berührenden Szenen überwiegend auf voyeuristische Betroffenheit.

»Mode ist eigentlich mein Leben«, sagt Willy Iffland zu Beginn des Films. Der Fashion-Blogger vermarktet Kleidung über Instagram, 170 000 Follower gucken sich gerne an, welche neuen Kombinationen er präsentiert; seine besondere Leidenschaft sind Turnschuhe. Sein Geld verdient er damit, Mode und Urlaubsorte vorzustellen. Er sei ein »Konsummensch durch und durch«, sagt der 30-Jährige zu Beginn des Films. So gar nicht der Protagonist, den man in einer kritischen Dokumentation über miese Arbeitsbedingungen und Armutslöhne erwarten würde.

Unbedarft kommt der Fashionboy daher, das irritiert, ist aber gleichzeitig eine der Stärken des Films. Zwar hat die Dokumentation zunächst den klassischen Weg eingeschlagen, wurde auf Filmfestivals in Los Angeles, Paris, New York und Chicago ausgezeichnet. Verbreitet werden aber soll die Dokumentation in Episoden über Medienkanäle wie Instagram, Facebook und Youtube. Dort, wo sich die Fashion-Victims von heute treffen.
Hier ist auch die Journalistin Helen Fares unterwegs. Ihre Hauptthemen sind Psychologie und Hip-Hop; anders als Iffland spricht sie selbstkritisch von der »Instagram-Blase«, in der sie sich bewegt. Doch auch die feministische Aktivistin hat den Schrank voller Klamotten, die sie zum Teil noch nie getragen hat. Ihr sei durch die Begegnungen bewusst geworden, wie sehr ihr Verhalten das Leben von anderen Menschen beeinflusse. »Wenn ich ein T-Shirt für zwei Euro kaufe, muss ich davon ausgehen, dass das für die Person, die das T-Shirt produziert hat, Konsequenzen hat. Die Frage ist: Kann ich damit leben? Im besten Fall nicht.«

Ihr Fazit: »Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, wie ich mein Konsumverhalten anpassen müsste, und bin ganz klar zu dem Entschluss gekommen: Ich muss weniger konsumieren.«

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