Neue Angriffe auf die Pressefreiheit

In Frankreich wollen regierungsnahe Abgeordnete mit einem Gesetz Journalisten der Willkür aussetzen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Die französischen Journalisten, unterstützt durch linke Oppositionsparteien und Organisationen, laufen Sturm gegen den Versuch, die Presse- und Meinungsfreiheit zu beschneiden, indem das Filmen von Polizisten in Aktion verhindert und unter Strafe gestellt wird. Der Entwurf eines Gesetzes über »Globale Sicherheit«, der von Abgeordneten der Bewegung En marche mit ausdrücklicher Zustimmung der Regierung in der Nationalversammlung eingebracht wurde, sieht vor, dass künftig »das Verbreiten von Fotos und Filmaufnahmen von Polizisten, Gendarmen oder Militärs im Einsatz mit dem Ziel, deren physische oder psychische Integrität anzugreifen, mit allen Mitteln verhindert wird«. Es droht eine Geldstrafe von bis zu 45 000 Euro.

Die Gesetzesinitiative entspricht nahezu wortwörtlich einem Versprechen von Innenminister Gérard Darmanin gegenüber den fast durchweg rechten bis rechtsextremen Polizeigewerkschaften, die sich wegen der immer breiteren Empörung in der Bevölkerung über unangemessene Polizeigewalt in die Enge gedrängt fühlen und von ihrem Dienstherrn fordern, sie vor solchen Vorwürfen zu schützen. Dabei sind die Ordnungskräfte bereits jetzt durch das Strafgesetzbuch und das wiederholt ergänzte und aktualisierte Pressegesetz von 1881 vor Verleumdungen geschützt. Darunter fällt der Aufruf zu Gewalt und anderen Straftaten gegen Polizisten und beispielsweise auch Mobbing in den sozialen Netzwerken. Zur Begründung des Gesetzentwurfs wurde auf Fälle verwiesen, in denen Polizeibeamte durch Fotos oder Filme im Internet identifiziert sowie mit ihrem Namen und der Adresse gewissermaßen »an den Pranger gestellt« und so de facto bedroht wurden.

Teller und Rand - der Podcast zu internationaler Politik

Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.

»Der Schutz der Ordnungskräfte ist ein legitimes Anliegen in einer demokratischen Gesellschaft«, stellt die französische Liga für Menschenrechte in einer gemeinsam mit mehreren Journalisten-Verbänden und -Gewerkschaften veröffentlichten Erklärung fest. Doch die dafür nötigen Gesetze gebe es bereits und sie seien ausreichend, müssten allerdings mit dem nötigen Einsatz und konsequent angewendet werden. »Einen neuen Straftatbestand zu schaffen, wie es der Gesetzentwurf vorsieht, würde die Rechte der Journalisten und die Pressefreiheit in einem Maße einschränken, das in keinem Verhältnis zu den möglichen Gefährdungen steht«, heißt es in der Erklärung. Der Gesetzentwurf sei so formuliert und auslegbar, dass man künftig willkürlich jeden Journalisten in seiner Arbeit behindern oder gar verhaften und vor Gericht bringen könnte, einzig unter dem Verdacht, er habe eine Aktion der Polizei fotografiert oder gefilmt, um sie danach im Internet zu verleumden. Auch wenn die Richter solche Unterstellungen zurückweisen, wäre nicht mehr rückgängig zu machen, dass der Meinungsfreiheit geschadet wurde. »Der Gesetzestext soll ganz offensichtlich die Aufdeckung von Fällen ungerechtfertigter und damit strafwürdiger Gewalt durch Polizisten behindern oder ganz unmöglich machen«, heißt es weiter in der Erklärung der Menschenrechtsliga. Viele Fälle von Polizeigewalt, wie sie in den vergangenen Monaten durch die Medien gingen und zu zahlreichen Untersuchungen und Bestrafungen von Polizisten geführt haben, wären mit einem solchen Gesetz wohl nie aufgedeckt worden.

Die Regierung versucht zu beschwichtigen und versichert, man wolle keinesfalls das Fotografieren und Filmen von Polizisten - abgesehen von Sonderaktionen zur Terrorbekämpfung - verhindern. Das geplante Gesetz käme nur im Nachhinein zur Anwendung und wenn nachweislich böse Absicht vorliegt.

Die Besorgnis der Journalisten kann das nicht zerstreuen. »Der Text ist absichtlich so schwammig formuliert, damit man ihn beliebig auslegen kann«, meint ein Journalist, der nicht genannt werden will. »Der Willkür des kleinen Polizisten vor Ort werden damit Tür und Tor geöffnet.« Jene Journalisten, hinter denen große Zeitungen oder namhafte Sender stehen, die über Anwälte verfügen die sich im Presserecht auskennen und Willkür nachweisen können, bräuchten sich keine großen Sorgen machen. »Nachhaltig gefährdet sind dagegen die vielen unabhängigen Journalisten, die vor allem Demonstrationen verfolgen, wie die der Gelben Westen, und die Polizeigewalt nur zu oft auch schon am eigenen Leib zu spüren bekamen.«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.