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Mélenchons Kandidatur entzweit Linke

Kommunisten und Sozialisten äußern scharfe Kritik am Gründer von La France insoumise

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit dieser Ankündigung hat der Gründer und langjährige Vorsitzende der linken Bewegung La France insoumise (Das aufsässige Frankreich, LFI) niemanden überrascht: Jean-Luc Mélenchon tritt auch bei der bevorstehenden Präsidentschaftswahl 2022 als Kandidat an, so wie schon 2012 und 2017. Nur die Form war neu. In einem Interview im Fernsehsender TF1 unterbreitete er den »Vorschlag einer Kandidatur« und machte diese davon abhängig, dass sich mindestens 150 000 wahlberechtigte Franzosen per Internet dafür aussprechen. Am Freitag gab LFI bekannt, dass das Ziel erreicht war – innerhalb von nur drei Tagen. Ein Wunder war das nicht, hat doch allein LFI nach eigenen Angaben 500 000 Mitglieder. Darüber hinaus ist Mélenchon Umfragen zufolge die Persönlichkeit, die am ehesten traditionelle Werte der Linken repräsentiert.

Das sehen die führenden Politiker der anderen linken Parteien und Organisationen ganz anders. Auch wenn sie ansonsten stark zersplittert sind, so eint sie doch zumindest die Überzeugung, dass ihnen Mélenchon mit seinem unvergleichlichen Rednertalent und seinen einfach und einleuchtend formulierten Argumenten – oft als »Populismus« abgetan – in unlauterer Weise potenzielle Wähler abspenstig macht. Die Sozialistische Partei versucht Mélenchons Alleingang als »Nicht-Ereignis« abzutun. Der PS-Vorsitzende Olivier Faure bezeichnet den Zeitpunkt als »unglücklich gewählt angesichts der aktuellen sanitären, wirtschaftlichen und sozialen Krise sowie der Bedrohungen durch den islamistischen Terrorismus«. Der sozialistische Europaabgeordnete Raphael Glucksmann, der 2018 vergeblich eine Initiative zur Sammlung aller linken Kräfte gestartet hatte, wird noch deutlicher: »Macron kann in die Kirche gehen, eine Kerze anzünden und Gott für diese linke Opposition danken.«

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Tatsächlich sind die linken Parteien und Organisationen gegenwärtig zersplitterter denn je und mindestens ein halbes Dutzend von ihnen bereitet sich darauf vor, mit einem eigenen Kandidaten in die Präsidentschaftswahl zu gehen. »Doch jede isolierte Kandidatur trägt nur dazu bei, den roten Teppich für Emmanuel Macron und Marine Le Pen und eine Stichwahl zwischen ihnen auszurollen«, ist der ehemalige PS-Abgeordnete Christian Paul überzeugt. Ihm gelang im vergangenen September, Vertreter aller linken Parteien und Bewegungen zu einem Ideen-Festival zu versammeln. Paul hofft, dass für eine linke Sammlung »bis Ende 2021 oder Anfang 2022 noch alles möglich ist«.

Luc Carvounas, der sozialistische Bürgermeister von Alfortville, schätzt ein: »Die größten Hindernisse auf dem Weg zu einer Einheit der Linken sind die persönlichen Ambitionen der verschiedene Parteivorsitzenden, die sich durch eine Kandidatur – auch wenn sie aussichtslos ist – aufgewertet sehen wollen. Für Jean-Luc Mélenchon trifft das ganz besonders zu.« Tatsächlich hat Mélenchon vor Jahren die Sozialistische Partei, die ihm den gewünschten Aufstieg in eine Führungsposition versage, im Streit verlassen und ist erst kurzlebige Linksfront mit der Kommunistischen Partei eingegangen, bevor er die ganz auf seine Person zugeschnittene Bewegung La France insoumise gegründet hat.

Aufrufe zu einer linken Einheitsfront wischt Mélenchon als Wahlkampfgeschwafel vom Tisch. Dass er nur eine Sammlung der Linken hinter seiner Person gelten lässt und jeden Partner für seine Zwecke einspannt, musste die KP über Jahre in gemeinsamen Wahlkämpfen erleben. Darum zeigt sich jetzt der im November 2018 gewählte neue Parteichef Fabien Roussel entschlossen, erstmals seit 2007 wieder einen kommunistischen Präsidentschaftskandidaten aufzustellen.

Die Sozialistische Partei, die durch das schlechte Abschneiden bei den letzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2017 in die Bedeutungslosigkeit abgestürzt ist, konnte seitdem durch ihr Arbeit an der Basis und ihr Auftreten im Parlament wieder einiges vom früheren Einfluss zurückgewinnen. Sie bemüht sich seit Monaten um eine sozial-ökologische Front mit der Partei der Grünen, doch auch hier droht alles daran zu scheitern, dass sich der Grünen-Vorsitzende Yannick Jadot nur ein Einschwenken auf seine Kandidatur vorstellen kann, während die Sozialisten die Hoffnung auf einen PS-Präsidentschaftskandidaten nicht aufgeben wollen.

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