- Kommentare
- Semesterticket
Ein ganz schlechter Stil
Meine Sicht: Rainer Rutz über die Erhöhung der Preise für Semestertickets
Dass der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg finanziell unter den Auswirkungen der Coronakrise ächzt, steht außer Frage. Aber einen Großteil der Studierenden in beiden Bundesländern trifft die Krise im Kleinen ja doch noch weitaus härter. Vor allem weil massenhaft die Nebenjobs weggebrochen sind, mit denen man sich bislang gerade so über Wasser halten konnte. Und ein Ende dieser Situation ist beileibe nicht absehbar. Ausgerechnet jetzt die Preise für die Semestertickets anheben zu wollen, zeugt also mindestens von mangelndem Feingefühl.
Klar, eine Ticketpreiserhöhung um fünf oder sechs Euro pro Semester im ersten Jahr klingt erst einmal nicht danach, als würde sie Studierende in den finanziellen Ruin treiben.
Doch es geht beim Widerstand gegen die Pläne der Verkehrsunternehmen zu Recht auch und vor allem ums Prinzip und den Stil. Denn dass die Hochschulen gerade auf der Notstufe laufen und ihre Präsenzveranstaltungen auf ein Minimum reduziert haben - und damit auch das studienbedingte Fahrtaufkommen - , sollte auch zu den Verantwortlichen beim Verkehrsverbund durchgedrungen sein. Das ist an sich schon keine gute Werbung für das Anliegen, mehr Menschen (und ja nicht nur die Studierenden) dazu zu bewegen, die Angebote des Öffentlichen Nahverkehrs zu nutzen.
Hinzu kommt aber die Art und Weise, wie die Preiserhöhungen durchgedrückt werden. Die angebotene Alternative zur Verteuerung lautet ja: Wenn ihr unsere Forderung nicht akzeptiert und weiter rumbockt, gibt es eben gar kein Semesterticket mehr. Friss oder stirb! Genau das ist in der aktuellen Krise ein »unsolidarisches« Verhalten, und nicht, wie der Sprecher der Unternehmen meint, der Widerstand gegen die höheren Preise.
Davon abgesehen sollte das Ziel aller künftigen Verhandlungen ohnehin ein anderes sein. Ist es den Verantwortlichen ernst mit dem Bekenntnis zur Verkehrswende, sollte am Ende das 365-Euro-Jahresticket stehen. Und das nicht nur für Studierende, sondern generell für alle Nutzerinnen und Nutzer des Öffentlichen Personennahverkehrs.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.