Biden will »Arbeiter ermächtigen« und Studiengebühren-Schulden erlassen

Neugewählter US-Präsident hält Rede zu Wirtschaftsprogramm und zeigt sich dabei als Arbeiter- und Gewerkschaftsfreund

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Er habe den Wirtschaftsvertretern erklärt, er sei ein »union guy«, ein Mann der Gewerkschaften also. Das erzählte Joe Biden Reportern am Montagabend am Rande eines Treffens mit Geschäftsführern großer Unternehmen wie General Motors und Microsoft. Damit wollte der neue US-Präsident, der sich auch im Wahlkampf gerne als Gewerkschaftsfreund inszeniert hatte, wohl den Ton bei dem Gespräch setzen – und es passt auch zur Rede zu seinem Wirtschaftsprogramm, die er am selben Abend hielt.

In den Agentur-Meldungen der dpa zur Rede kann man lesen, was Biden zur Coronavirus-Pandemie und Donald Trump zu sagen hatte. Wegen dessen Weigerung, die Übergabe der Regierungsgeschäfte einzuleiten, drohen noch mehr Menschen nach einer Corona-Infektion zu sterben. Sein Team müsse zum Beispiel Zugang zu den Plänen bekommen, aus denen hervorgeht, wie mehr als 300 Millionen US-Amerikaner geimpft werden sollen. »Wenn wir uns nicht abstimmen, könnten mehr Menschen sterben.« Er wolle nicht »falsch optimistisch« sein, betonte aber auch: »Wir schaffen das«. So weit, so banal, willkommen zurück in der evidenzbasierten internationalen Politik »Amerika«!

Nicht erwähnt wird in den Agenturen, was der neue Präsident sonst noch sagte: Das Land brauche ein weiteres Hilfspaket wie den schon im Mai von den Demokraten im US-Repräsentantenhaus verabschiedeten HEROES-Act, um »leidenden« Familien und Unternehmen zu helfen. Dieser umfasste drei Billionen Dollar, ein weiteres Hilfspaket könne »in ähnlichem Umfang« ausfallen, signalisierte Biden seine Verhandlungsbereitschaft. Es müsse doch »ein Dutzend« Senatoren der Republikaner geben, die »den Mut haben, aufzustehen und Leben und Jobs zu retten, und zwar jetzt«. Das war zugleich Appell und Seitenhieb auf die gespaltenen Republikaner, die aktuell im US-Senat seit Monaten weitere Hilfen blockieren, weil ein rechtslibertärer Flügel eigentlich gar keine Hilfen gewähren will.

»Wenn wir das Virus unter Kontrolle bekommen, Hilfen an Arbeiter und Unternehmen bereitstellen, können wir das Land noch besser wieder aufbauen«, so Biden. Aufbauen will Biden das Land mit einer dringend nötigen Modernisierung der Infrastruktur, inklusive den Aufbau von Breitband-Internet in ländlichen Gegenden und Renovierungsarbeiten an Schulen im Umfang von 100 Millionen Dollar. Außerdem sollen unter seiner Regierung zur Bekämpfung der Klimakrise Elektroautos gefördert und 550.000 neue Ladesäulen für diese im Land installiert werden. Er kündigte zudem an, Millionen Wohnungen und Gebäude besser isolieren zu lassen und damit »Millionen gut bezahlte 'union jobs'« zu schaffen und so »Arbeiter zu ermächtigen«. »Gewerkschaften werden in Zukunft mehr Macht haben im Land«, erklärte Biden. Schon im Wahlkampf hatte er signalisiert, einen Gewerkschafter in sein Kabinett berufen zu wollen.

Außerdem will er 1,5 Millionen neue bezahlbare Wohnungen bauen lassen. Zudem solle im Land die bisher nicht umfassend oder als Recht existierende Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle sowie Elternurlaub eingeführt werden. Er wolle ein »faireres« Steuerrecht und das Unternehmen ihren »fairen« Anteil zahlen – es sei »Zeit Arbeit und nicht Vermögen zu belohnen«, erklärte Biden. Desweiteren kündigte er die Einführung der bereits vom US-Repräsentantenhaus 2019 beschlossenen, aber im Senat blockierten, schrittweisen Anhebung des Mindestlohns auf 15 Dollar an. Auch sollten Regierungsanträge nur an Unternehmen vergeben werden, die in den USA produzieren, so der neue US-Präsident.

Vieles von dem, was Joe Biden schon in seinem Wahlkampfprogramm versprochen hatte und nun umsetzen will, kann er nur mit neuen Gesetzen. Dafür braucht es eine Mehrheit im US-Senat, die die Demokraten derzeit nicht haben. Sie haben bei den Wahlen am 3. November netto nur einen Sitz im US-Oberhaus dazu gewonnen. Anfang Januar jedoch wird es eine – wenn auch eher geringe Chance – für die Partei geben, bei zwei Stichwahlen in Georgia die zwei nötigen Sitze zu gewinnen. Die wichtigsten Themen dabei sind, wie auch bei den Präsidentschaftswahlen, die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie und die Wirtschaftspolitik.

Ein Problembereich, in dem Biden keine Gesetzgebung durch den US-Senat benötigt und die per »Executive Order« geregelt werden kann, ist die Vergebung von Studiengebühren-Schulden. Deren Bedienung ist aktuell durch eine Trump-Anordnung als Reaktion auf die Pandemie ausgesetzt – aber nur bis zum Ende des Jahres. Auf Nachfrage antwortete Biden Montagabend, das solle »sofort umgesetzt werden« und verwies auf sein Wahlkampfprogramm und den HEROES Act. Beide sehen einen Erlass von 10.000 Dollar Studiengebühren-Schulden vor. Ob er dies per Executive Order regeln werde, ließ Biden offen. Auch das war kein Thema in der dpa-Berichterstattung.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -