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- Reisen in Coronazeiten
In Warte-Quarantäne am Airport
Man kann auch in Europa noch reisen: auf die Kanaren, die Azoren und nach Madeira, wo man nur einen negativen Coronatest vorweisen muss. Am Flughafen Madeira geht das kostenlos
Meine Reise nach Madeira beginnt mit dem Ausfüllen eines Formulars. Auf der Seite von »madeirasafe« muss ich mich anmelden, meine Heimatadresse und die Hoteladresse auf der Insel angeben und einige grundsätzliche Angaben zu meinem Gesundheitszustand machen. Auch meine Körpertemperatur soll ich messen. Da ich symptomfrei bin, mich gesund fühle und zudem das Fieberthermometer in den Tiefen meines Badezimmers verschollen ist, schwindle ich hier ein wenig. Ich stecke mir also kein Thermometer in den Mund, sondern schreibe ungeprüfte 36,2 Grad in die entsprechende Zeile. In drei Minuten habe ich das Formular ausgefüllt, ein Klick auf »Senden« und die Reisevorbereitungen sind beendet. Ein paar Minuten später kommt per E-Mail die Bestätigung, die werde ich später bei der Einreise noch brauchen.
Enge trotz Corona
Die Anreise selbst unterscheidet sich kaum von der vor Coronazeiten. Leider. Denn wer, wie ich, auf leere Flugzeuge und damit eine bequemere Anreise gehofft hat, wird enttäuscht. Zwar ist das Flugaufkommen enorm zurückgegangen, da aber die Anzahl der Verbindungen ebenfalls reduziert wurde, ist der einzelne Flieger gut gebucht. Mein Sitz befindet ganz hinten in Reihe 29 D. Weil im Unterschied zu früher, nach Reihe geboardet wird, steige ich als einer der letzten in die Maschine. Drinnen sitzen wir dann alle dicht an dicht mit Maske. Die darf nur gelüftet werden, um einen Schluck vom Wasser, Saft oder Wein zu nehmen oder einen Bissen vom eher mageren Schnittchen. Da kommt dann doch der Verdacht auf, dass Corona als Ausrede für den zurückgefahrenen Service herhalten muss.
Nach viereinhalb Stunden setzt die Maschine auf dem Flughafen der Inselhauptstadt Funchal auf. Auch das Aussteigen erfolgt jetzt reihenweise. Das gefällt mir, das kann gerne, auch nachdem das Virus besiegt ist, so bleiben. So entfällt das Geschiebe und Gedrücke vor den Handgepäckfächern, das bist dato jede Flugreise noch mit einer Schlussverkaufserfahrung angereichert hat.
Kaum Infektionen
Während Festlandportugal Hochrisikogebiet ist, gehört Madeira mit seinen zur Zeit 21 Infizierten pro 100 000 Einwohnern zu den sichersten Reisegebieten weltweit. Damit das so bleibt, hat die Provinzregierung zwingend einen negativen PCR-Test für die Einreise vorgeschrieben. Nur wenn die Infektionszahlen auf niedrigem Niveau bleiben, kann der Tourismus, die Haupteinnahmequelle der Insulaner, zumindest auf Sparflamme weiterlaufen.
Nach der Gepäckausgabe teilen sich die Reisenden in zwei Gruppen - Wegweiser am Boden geben den Weg vor. Für die einen, nämlich die, die schon zu Hause einen Coronatest gemacht haben, geht es direkt zum Ausgang. Den anderen, die sich im Flughafen testen lassen wollen, weisen freundliche Studenten den Weg. Die erste Station ist ein großer Tisch mitten in der Ankunftshalle. Ein Provisorium, aber ein praktisches. Dahinter sitzen lächelnd ein paar Frauen, die die Anmeldung vornehmen. Jetzt ist es gut, wenn man sein Handy mit der Bestätigungsmail parat hat und auch das Passwort noch weiß, das man bei der Anmeldung verwendet hat. Ich scheitere am zweiten und erfahre deswegen: Es geht auch ohne - nur ein bisschen langsamer.
An der nächsten Station gibt’s Bananen und eine Flasche Wasser. Über beides freut man sich nach Abschluss des Tests, besonders über das Wasser, das ich leichtsinnigerweise stehen gelassen habe. Ein paar Meter weiter wird’s dann ernst. Das erkenne ich daran, dass ab jetzt alle Mitarbeiter in einem Ganzkörperschutzanzug in hellblau stecken - plus Maske und Augenschutz. Ana, die eigentlich Medizinstudentin ist, beschriftet mein Probenröhrchen und fragt meine Telefonnummer und E-Mail-Adresse ab. »So können wir dich nachher kontaktieren«, sagt sie. Und: »Sobald das Ergebnis da ist, bekommst du eine Mail!« Mit dem Röhrchen in der Hand gehe ich weiter in Richtung einiger Container.
Drinnen warten die Ärzte mit ihren Wattestäbchen. Erst steht ein Abstrich des Rachenraums an. Wobei die Prozedur offenbar erst vorbei ist, wenn man kurz vor dem Erbrechen ist und die Augen tränen. Danach sind die Nasenlöcher dran. Auch hier geht es tief hinein. Sehr tief. »Just a moment, my friend!«, beruhigt mich der Arzt, nur um mir das Wattestäbchen noch weiter in die Nase zu rammen. Eine Minute dauert der Test. Angenehm ist er nicht, aber wenn er mir erlaubt, einen unbeschwerten Urlaub zu verbringen, dann gut.
Warten auf das Testergebnis
Endlich darf auch ich den Flughafen verlassen. Der Hotelabholer steht draußen schon bereit. Natürlich mit Mundschutz. Während die anderen Reisenden ihren Mund mit Wasser ausspülen, beiße ich in meine Banane.
Zehn Minuten Fahrzeit, dann stehe ich an der Rezeption. »Bitte nur eine Person«, ermahnt dort ein Schild auf Deutsch. Nach einer kurzen Begrüßung werde ich aufs Zimmer geschickt - in den Hausarrest sozusagen. Wirklich schlimm ist das nicht, denn auf die Terrasse mit Meerblick darf ich schon. Und das Abendessen wird mir ganz luxuriös aufs Zimmer geliefert, eine Flasche Rotwein inklusive. So lässt es sich gut warten. Ich bin um 17 Uhr angekommen, spätestens zwölf Stunden später soll das Ergebnis vorliegen, so das Versprechen der madeirensischen Gesundheitsbehörde. Morgen früh geht meine Miniquarantäne also zu Ende, vorausgesetzt natürlich, der Test ist negativ. So lange muss ich aber gar nicht warten. Um 21.10 Uhr meldet sich mein Handy und weist mich auf einen Maileingang hin. Post von »madeirasafe«. Ganz prosaisch heißt es: »Der Covid-Test mit der Nummer 04109293 hatte folgendes Ergebnis: Negativ.« Kurz und bündig werde ich damit offiziell aus der Quarantäne, die in meinem Fall gerade mal vier Stunden gedauert hat, entlassen.
Durch den Rotwein habe ich inzwischen die notwendige Bettschwere, die Erlaubnis zum Stadtbummel nutze ich an diesem Abend nicht mehr aus. Am nächsten Morgen beim Frühstück kontrolliert die Hotelbesitzerin mein Testergebnis - die Mail muss ich ihr vorlegen. Schummeln ausgeschlossen.
Ab ins Coronahotel
Und was wäre gewesen wenn? Es gibt drei Coronahotels auf Madeira, erzählt die Hotelchefin. Wer positiv getestet wird, wird dort auf Kosten der Regierung untergebracht und muss solange bleiben, bis zwei Tests in Folge ein negatives Ergebnis anzeigen. Der perfekte Urlaub sieht anders aus, aber zumindest kommen auf die Reisenden in diesem Falle keine Extrakosten zu. Und dann erzählt die Hotelchefin noch von einem polnischen Paar, das jüngst aus dem Coronahotel floh. Der Fall schaffte es bis auf die Titelseite der Lokalpresse, samt Fahndungsfotos von den beiden. Auf einer Insel kann keiner unbemerkt verschwinden, die Coronaflüchtigen erwischte man noch am selben Tag. Ein bisschen verstehen kann man das unvernünftige Paar aber doch, denn: Madeira ist zu schön, um es nur vom Hotelfenster aus zu erleben.
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