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Ideologie aus der Moschee
Bundestagsfraktionen wollen die »Grauen Wölfe« verbieten. Wie organisieren sich die türkischen Nationalisten in Deutschland?
Linke fordern schon seit vielen Jahren eine entschlossenere Vorgehensweise gegen die »Grauen Wölfe« in Deutschland und in diesem Kontext auch ein Verbot von türkisch-nationalistischen Vereinigungen. Nun haben sich die übrigen politischen Kräfte dieser Forderung angeschlossen. Alle Bundestagsfraktionen beantragten, in unterschiedlicher Reichweite und mit unterschiedlichen Begründungen, ein Verbot der »Grauen Wölfe« - wie in Frankreich Anfang des Monats bereits geschehen. Während allerdings die Fraktionen der Linken und der AfD in ihren jeweiligen Anträgen konkret die Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V. (ADÜTDF), die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e. V. (ATIB) und den Verband der türkischen Kulturvereine in Europa (ATB) nannten, bleibt der am Mittwoch im Parlament angenommene Antrag von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP an der entscheidenden Stelle unkonkret.
Dabei sind diese Moschee- und Vereinsverbände eine tragende Säule der hiesigen türkisch-nationalistischen Bewegungen. Sie sind seit Jahrzehnten aktiv und können über ihre lokalen Moscheevereine einen relevanten Teil der türkeistämmigen Bevölkerung in Deutschland politisch beeinflussen. In den Einrichtungen, die den Moscheen angeschlossen sind - Seminar- und Versammlungsräume, Küchen und weiteres - wird die eigene Klientel geformt und zusammengehalten. Lange Zeit konnten türkische Nationalist*innen gegenüber der deutschsprachigen Öffentlichkeit erfolgreich den Anschein »ganz normaler« Vereine wahren, mit der Behauptung, ihre Aktivitäten im Stadtteil folgten keinerlei extremer Ideologie. So ist es auch wenig überraschend, dass die Vereine oft Teil der kommunalen Integrations- und Stadtpolitik sind.
Parteien und Verbände
Der größte türkisch-nationalistische Akteur ist die Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), die in der Türkei die Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan unterstützt. Anhänger*innen der MHP bezeichnen sich als »Ülkücüler« (Idealisten), etwas seltener wird die Bezeichnung »Graue Wölfe« verwendet. Die MHP war ursprünglich keine parlamentarische Partei, sondern eine faschistische und gewalttätige Organisation. So waren die »Grauen Wölfe« in den 1990er Jahren in der Türkei für eine Vielzahl von politischen Morden verantwortlich. Nach dem Tod des langjährigen Parteiführers Alparslan Türkeş 1997 gab sich die MHP unter Devlet Bahçeli moderater und gewann so auch eine größere Anhängerschaft. Bei Wahlen erreicht sie derzeit etwa 16 Prozent der Stimmen. Ihrem Selbstverständnis nach setzt die Partei konsequent auf die Stärke der türkischen Nation, und mit vermeintlichen Staatsfeinden kämpft sie lieber als zu verhandeln. Dies zeigt sich beispielsweise in antikurdischen und antiarmenischen, aber auch in antisemitischen Positionen.
In Deutschland organisieren sich die MHP-Anhänger*innen hauptsächlich im Dachverband ADÜTDF, auch bekannt unter der Bezeichnung Türk Federasyon (Türkische Föderation), zu der neben Moscheevereinen auch die Ülkü Ocakları (Idealistenclubs) gehören. Das sind sozio-politische Zentren, insbesondere für die Jugend. Hier werden junge »Graue Wölfe«, noch intensiver als in den Moscheevereinen, ideologisch geschult und in Partei- und Verbandsstrukturen eingebunden. Bundesweit hat die Türk Federasyon etwa 7000 Mitglieder und ist damit eine der größten rechtsextremen Gruppierungen in Deutschland.
Die türkisch-nationalistische Bewegung reicht allerdings darüber hinaus und umfasst zwei weitere Verbände. Die Abspaltung ATIB versammelt etwa 120 Moscheevereine, konzentriert sich auf die Organisation der Gotteshäuser und gibt sich eher moderat. Gerade dadurch bietet sie türkischen Nationalist*innen, denen MHP und ADÜTDF zu »radikal« sind, eine Möglichkeit, im Milieu der »Grauen Wölfe« zu verbleiben. Die ATIB hat bundesweit mindestens 8000 Mitglieder. Deutlich kleiner fällt der Moscheeverband ATB aus, der etwa 20 Moscheevereine organisiert und der türkisch-islamistischen Partei der Großen Einheit (BBP) nahesteht. Insgesamt stehen ATIB und ATB für einen stärker islamisch und islamistisch orientierten Teil im Spektrum der »Grauen Wölfe«.
Versäumte Zwischenschritte
Während eine größere Aufmerksamkeit für die »Grauen Wölfe« sehr zu begrüßen ist, stellt sich die Frage, ob ein Verbot in der gegenwärtig diskutierten Form sinnvoll und umsetzbar ist. Es ist davon auszugehen, dass Moscheeverbände, die Teil der deutschen Islam- und Integrationspolitik sind, ihre Arbeit ungehindert fortsetzen können. Ein notwendiger Zwischenschritt wäre es gewesen, die staatliche Zusammenarbeit mit Verbänden im Umfeld der »Grauen Wölfe« einzustellen und insbesondere auf der kommunalen Ebene die Kooperationen zu beenden. Da dies ausgeblieben ist, droht das geforderte Verbot eine symbolische Maßnahme zu bleiben.
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