Wut im Bauch

Im Gedenken an Silvio Meier demonstrierten Antifaschist*innen durch Neukölln

  • Darius Ossami
  • Lesedauer: 3 Min.

»Silvio Meier lebt in unseren Kämpfen weiter«, erklärt Ferat Kocak am Samstag. Kocak gehört zu den Betroffenen der rassistischen Anschlagsserie in Neukölln. Um auf die Bedrohung durch Neonazis aufmerksam zu machen, zieht daher die frühere Silvio-Meier-Demo in diesem Jahr durch den Süden von Neukölln.

Im Bezirk Neukölln kommt es seit Jahren zu Angriffen und Anschlägen durch Neonazis, von denen bisher kein einziger aufgeklärt werden konnte. Die beispiellose Anschlagsserie hat unter dem Begriff »Neukölln-Komplex« mittlerweile bundesweite Aufmerksamkeit erregt, zumal in jüngster Zeit mehrere Enthüllungen über mögliche Verstrickungen von Polizisten und Staatsanwälten in rechte Netzwerke oder die Vertuschung von Straftaten aufgedeckt worden sind.

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Noch immer befindet sich im Süden des Bezirks ein Großteil der Neuköllner rechten Strukturen. Auch die beiden Hauptverdächtigen der Anschlagsserie, Sebastian T. und Tilo P., leben noch immer dort. Dementsprechend tief sitzt das Misstrauen.

Die Demonstration unter dem Motto »Fight Back – rechten Terror bekämpfen« gedenkt auch zweier Neuköllner Opfer rassistischer Gewalt: Burak Bektaş und Luke Holland. Die Auftaktkundgebung versammelt sich am Gedenkort für Burak Bektaş, der 2012 erschossen wurde. Die Tat ist bisher nicht aufgeklärt.

Dort stehen Karin und Roswitha, zwei Frauen um die 60 von der Gruppe Basta Britz. Die Hufeisensiedlung in Britz ist einer der Schwerpunkte der rechten Anschlagsserie. Seit anderthalb Jahren demonstrieren sie jeden Donnerstagmorgen vor dem Berliner LKA in Tempelhof und halten Schilder hoch: »Guten Morgen LKA: Aufwachen!«, steht auf einem, und ein anderes fragt: »Wo bleibt der Schutz der Opfer rechter Gewalt?«

»Wir stehen da, weil wir die Aufklärung der rechten Straftaten wollen«, erklärt Karin. Die Indizien für rechte Strukturen innerhalb der Ermittlungsbehörden sind für sie nun ein weiterer Grund für ihre wöchentlichen Mahnwachen. Auch die Gruppe Neukölln Watch beteiligt sich an der Demo. Ein Sprecher kritisiert, dass die zahlreichen Übergriffe noch immer nicht aufgeklärt sind: »Der Staat kann es nicht, viele Polizisten wollen es nicht. Das muss man am Ende selber machen.«

An der Demo in Neukölln in Gedenken an Opfer rechter Gewalt und gegen rechten Terror nehmen etwa 800 Menschen teil, die Veranstalter*innen sprechen von 1000. Die Stimmung ist gut, viele Fahnen und Transparente sind zu sehen. Vereinzelt jubeln Anwohner*innen aus ihren Wohnhäusern, die meisten aber bleiben stumm. »Scheiß Linke«, grummelt einer aus sicherer Entfernung.

Der Demonstrationszug passiert einschlägige rechte Treffpunkte, von denen es in Südneukölln erstaunlich viele gibt, wie die Website fightbackberlin dokumentiert. Dazu gehören etwa das Restaurant »Novi Sad« und das Steakhaus »Torero«, wo sich die Neuköllner AfD trifft, der bis 2019 auch Thilo P., der zweite Hauptverdächtige der Serie, angehörte. Er wohnt ebenfalls nahe der Demonstrationsroute.

Die Rednerin hat eine ziemliche Wut im Bauch: »Viel zu lange konnten Nazis hier ungehindert Angriffe ausüben. Viel zu lange hat die Polizei zugesehen«, ruft sie und kündigt an: »Wir werden so lange weitermachen, bis wir den Nazisumpf hier in Neukölln endlich trockengelegt haben!«

Die Demo endet am U-Bahnhof Rudow. Etwas südlich davon befindet sich die Kneipe »Ostburger Eck«. 2018 wurde dort ein LKA-Beamter dabei beobachtet, wie er sich mit Sebastian T. und weiteren Neonazis traf, was die Polizei allerdings bestreitet.

Die Kundgebung endet mit dem Versprechen, nicht locker zu lassen und kontinuierlich Druck zu machen. »Ich kämpfe dafür, in einem Kiez zu leben, in dem Rassismus keine Chance hat«, sagt Karin von Basta Britz zum Abschied. Und Roswitha ergänzt: »Dem rechten Mob keinen Meter im öffentlichen Raum und schon gar nicht in der Hufeisensiedlung.«

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