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+++ Berlin überschreitet selbstgesetzten Warnwert für Intensivbetten +++

Der Newsblog zur Coronakrise - Sonntag, 29. November 2020: +++ Deutschlandweit 14.611 neue Fälle - Corona-Neuinfektionen unter Vorwochenniveau +++ Kein Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes für »Querdenken«+++

  • Lesedauer: 9 Min.

Erstmals seit Einführung des Ampelsystems zur Bewertung der Corona-Lage in Berlin ist der Warnwert für Intensivbetten überschritten worden. Mehr als ein Viertel dieser Betten in der Hauptstadt ist jetzt mit Covid-19-Patienten belegt, wie aus dem am Sonntag aktualisierten Lagebericht der Gesundheitsverwaltung für Samstag hervorgeht. Damit steht die Corona-Ampel in Berlin nun bei zwei Indikatoren auf Rot.

Die Corona-Ampel berücksichtigt insgesamt drei Indikatoren: die Reproduktionszahl (kurz R-Wert), die Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen und die Auslastung der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten. Für jedes Kriterium wurden Grenzwerte definiert. Werden diese mindestens drei Mal in Folge überschritten, wechselt die entsprechende Ampelfarbe auf Gelb oder Rot.

+++ Deutschlandweit 14.611 neue Fälle - Corona-Neuinfektionen unter Vorwochenniveau +++

Erwartungsgemäß haben die Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) am Wochenende vergleichsweise wenig neue Corona-Infektionen gemeldet. Innerhalb eines Tages sind 14.611 neue Fälle übermittelt worden, wie das RKI am Sonntagmorgen bekanntgab. Der bisherige Höchststand war am Freitag vor einer Woche (20.11.) mit 23.648 gemeldeten Fällen erreicht worden. Am vergangenen Sonntag hatte die Zahl bei 15. 741 gelegen. An Sonntagen und Montagen sind die Zahlen vergleichsweise gering, weil laut RKI am Wochenende weniger Proben genommen werden und dadurch auch insgesamt weniger getestet wird.

Die deutschen Gesundheitsämter meldeten binnen 24 Stunden zudem 158 neue Todesfälle. In der Tendenz war die Zahl der täglichen Todesfälle zuletzt nach oben gegangen, was nach dem steilen Anstieg bei den Neuinfektionen auch erwartet wurde. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Sars-CoV-2 Infektion gestorben sind, stieg auf insgesamt 16.123.

+++Kein Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes für »Querdenken«+++

Der Verfassungsschutz hat die »Querdenken«-Bewegung nach Angaben von Bayerns Innenministers Joachim Herrmann (CSU) bisher nicht förmlich zum Beobachtungsobjekt erklärt. Die Bewegung, die seit Monaten Proteste gegen die Politik zur Eindämmung der Corona-Pandemie organisiert, sei eine äußerst heterogene Gruppierung, die man genau im Blick habe, sagte Herrmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Momentan ist aber der förmliche gesetzliche Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes nicht eröffnet.«

+++Institut über Corona-Hilfen: Bund zahlt zehn Milliarden Euro zu viel+++

Der Bund zahlt für die November- und Dezemberhilfen laut einer Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zehn Milliarden Euro mehr als eigentlich notwendig. Der Berechnung zufolge verdienten die betroffenen Betriebe - vor allem aus der Gastronomie und dem Veranstaltungsgewerbe - dank der Entschädigung des Staates in vielen Fällen mehr Geld, als wenn sie geöffnet hätten, berichtete die »Welt am Sonntag«. Das Institut geht mit Verweis auf Zahlen der Bundesbank davon aus, dass bei den betroffenen Branchen im Durchschnitt die Hälfte der Kosten variabel sind, dass sie also gar nicht erst anfallen, wenn die Betriebe geschlossen sind. Dennoch zahlt der Bund den Betrieben bis zu 75 Prozent des Umsatzes aus dem Vergleichsmonat 2019.

+++ Im Corona-Hotspot Hildburghausen alle Intensivbetten belegt +++

Im bundesweit am stärksten von der Corona-Pandemie betroffenen Landkreis Hildburghausen sind derzeit alle Intensivbetten belegt. Das geht aus dem Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) mit Stand Freitagmorgen hervor. Das DIVI-Register listet für den Landkreis, in dem es ein Allgemeinkrankenhaus der Grundversorgung und eine Fachklinik für Psychiatrie und Neurologie gibt, insgesamt acht Intensivbetten auf. Sie waren am Freitag allesamt belegt, davon zwei mit Covid-19-Patienten. Diese mussten beatmet werden.

In dem Landkreis an der Grenze zu Bayern hat sich das Infektionsgeschehen noch einmal verschärft. Die Zahl der Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche erhöhte sich am Freitag nach Zahlen des Gesundheitsamtes auf inzwischen knapp 630 (Vortag: 602,9). Auf der Corona-Karte des Robert Koch-Instituts leuchtet der Kreis inzwischen als einzige Region in Deutschland pink. Die Zahl der aktiven positiven Corona-Fälle liegt laut dem Landkreis am Freitag bei 853.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz zeigte sich angesichts der Situation bei Intensivbetten alarmiert. »Wenn wir die Regeln ignorieren, hat das Folgen für die Menschen der Hochrisikogruppe«, sagte der Stiftungsvorsitzende Eugen Brysch am Freitag der dpa. Eine Situation wie in Hildburghausen könne sich auch in anderen regionalen Krankenhäusern rasch entwickeln. Dort werde ein Großteil der Covid-19-Patienten versorgt. Laut DIVI-Register sind auch im benachbarten Kreis Schmalkalden-Meiningen 40 von 52 Intensivbetten belegt, davon 12 mit Covid-19-Kranken.

+++ Landrat des Corona-Hotspots Hildburghausen unter Polizeischutz +++

Der Landrat des Landkreises, Thomas Müller, steht seit Donnerstag unter Polizeischutz. Er sei zuvor in den sozialen Medien beleidigt und bedroht worden und habe Anzeige erstattet, sagte ein Sprecher der Polizei in Erfurt am Donnerstagabend.

Die Drohung stehe »mutmaßlich im Zusammenhang mit der Corona-Schutzverordnung«, sagte der Sprecher. Die Kriminalpolizei Suhl bearbeite den Fall. Nach einem Bericht der Zeitung »Freies Wort« hieß es in einem mittlerweile gelöschten Facebook-Post: »Müller, du dummes Schwein. Nimm Dir einen Strick und häng Dich weg«. Ein Kommentar dazu wird ebenfalls zitiert: »Ich glaube es ist besser, wenn wir ihm dabei helfen«.

Müller hatte die Proteste gegen den strengen Lockdown in Hildburghausen als unverantwortlich kritisiert. Hunderte Menschen, die am Mittwochabend durch die Südthüringer Stadt gezogen seien, hätten nicht nur sich, sondern auch andere gefährdet, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag.

Mit 629,8 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche hat der Landkreis bundesweit den höchsten Inzidenzwert. Um die Infektionswelle zu brechen, gelten seit Wochenmitte für die rund 63.000 Einwohner im Kreisgebiet drastische Beschränkungen: Sie dürfen bis zum 13. Dezember ihre Wohnungen nicht mehr ohne triftigen Grund verlassen, Schulen und Kindergärten wurden geschlossen.

+++ Länder bauen flächendeckend Impfzentren auf +++

Die Bundesländer haben damit begonnen, Zentren für die bevorstehenden Massen-Impfungen mit einem Corona-Impfstoff aufzubauen. In den meisten Ländern sollen nach einer bundesweiten Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) die Impfzentren ab Mitte Dezember einsatzbereit sein. Offen ist allerdings, ob das Serum, mit dem die Pandemie bekämpft werden soll, bis dahin bereits zugelassen und verfügbar ist. Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) sagte, der tatsächliche Impfbeginn hänge von vielen Faktoren ab. Es gebe zwar vielversprechende Präparate, dies lasse hoffen, »aber auf den genauen Zeitpunkt haben wir keinen Einfluss«.

Vereinbart ist, dass der Bund den Impfstoff beschafft. Nach Umfragen sind etwa 70 Prozent der Bevölkerung bereit, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Klar ist, dass die Mengen an Impfstoff zunächst bei weitem nicht ausreichen werden, um in wenigen Wochen knapp 60 Millionen Menschen zu impfen. Deshalb sollen die in den Zentren tätigen Ärzte zunächst mit dem Impfen von Risikogruppen beginnen. Das sind vor allem ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen. An zweiter Stelle steht das Personal von Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäusern und Pflegeheimen.

Der epd-Umfrage zufolge wird in der Regel pro Landkreis beziehungsweise kreisfreier Stadt ein Impfzentrum errichtet. Ausnahmen sind Großstädte: Dort wird es mehr als ein Zentrum geben, der Berliner Senat etwa plant sechs solcher Einrichtungen. Zusätzlich zu den stationären Zentren würden mobile Teams bewegungseingeschränkte Menschen aufsuchen, um sie zu impfen, hieß es.

+++ Mehr als eine Million Corona-Infektionen in Deutschland +++

In Deutschland ist die Marke von einer Million Corona-Infektionen überschritten worden. Wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Freitagmorgen unter Berufung auf Angaben der Gesundheitsämter mitteilte, wurden seit Beginn der Pandemie insgesamt 1.006.394 Ansteckungen mit dem neuartigen Coronavirus erfasst.

Nach Angaben des RKI wurden binnen 24 Stunden 22.806 neue Ansteckungsfälle in Deutschland registriert. Das sind 538 Fälle mehr als am Vortag. Die Zahl der Corona-Toten in Deutschland stieg nach RKI-Angaben um 426 auf 15.586. Laut den jüngsten Zahlen des Instituts lag die Zahl der Genesenen bei gut 696.000. Die Gesamtzahl der Corona-Infektionen in Deutschland verdoppelte sich somit innerhalb eines Monats. Am 30. Oktober hatte das RKI knapp 500.000 Infektionsfälle vermeldet. Die Zahl der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen erhöhte sich von rund 360 Anfang Oktober inzwischen auf mehr als 3800.

Das Bundesland mit den meisten bestätigten Corona-Fälle ist Nordrhein-Westfalen, dort wurden mehr als 250.000 Infektionen nachgewiesen. Dahinter folgen Bayern mit knapp 198.000 Fällen und Baden-Württemberg mit fast 143.000 Ansteckungen.

In Ländern wie Frankreich und Italien ist die Zahl der Corona-Todesfälle nach wie vor deutlich höher als in Deutschland. Nach offiziellen Angaben starben in den beiden Ländern jeweils mehr als 50.000 Menschen im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion.

+++ Koalition will 180 Milliarden Euro Schulden aufnehmen +++

Wegen der Corona-Pandemie sind im Bundeshaushalt 2021 deutlich höhere Schulden vorgesehen als ursprünglich geplant: Im Budgetentwurf für das kommende Jahr sind neue Kredite in Höhe von fast 180 Milliarden Euro vorgesehen. Das beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestages am Freitagmorgen. Demnach sieht der Haushalt 2021 Ausgaben in Höhe von 498,6 Milliarden Euro vor. In der Bereinigungssitzung wurde aktuelle Änderungen in den Etatplan eingearbeitet, darunter die Beschlüsse zur Corona-Pandemie vom Mittwochabend.

Der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler bewertete die Kreditaufnahme als richtig: »Man darf in die Krise nicht hineinsparen.« Kindler kritisierte den Haushalt der Koalition jedoch auch als »soziale Schieflage«. Er lasse Arbeitslose und Soloselbstständige »im Regen stehen.« Zudem bemängelte der Politiker, dass die Investitionen für den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft viel zu gering seien.

Der ursprüngliche Etatentwurf von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte eine Neuverschuldung von 96,2 Milliarden Euro vorgesehen. Bereits Anfang der Woche hatte sich wegen des Teil-Lockdowns ab November und weiterer Zusatzkosten jedoch abgezeichnet, dass die Schuldenaufnahme um fast 70 Milliarden Euro höher ausfallen würde.

+++ Zwei Drittel der Deutschen wollen sich impfen lassen +++

Die Impfbereitschaft gegen das Coronavirus steigt in Deutschland leicht an. In einer Ipsos-Umfrage unter mehr als 18.000 Befragten aus 15 Ländern, die in Zusammenarbeit mit dem Weltwirtschaftsforum durchgeführt wurde, geben im Oktober 69 Prozent der Deutschen an, dass sie sich impfen lassen würden, wenn ein Impfstoff gegen das Coronavirus verfügbar wäre - zwei Prozentpunkte mehr als drei Monate zuvor. In den meisten anderen untersuchten Ländern nimmt die Impfbereitschaft dagegen spürbar ab. Große Unterschiede bestehen auch hinsichtlich des Zeitpunktes, ab wann man sich impfen lassen würde, sobald ein COVID-19-Vakzin für alle verfügbar ist.

Danach gefragt, wie schnell man eine Schutzimpfung vornehmen würde, wenn ein Impfstoff für alle verfügbar wäre, äußern sich viele Befragte eher zögerlich. In Deutschland würde sich nicht einmal jeder vierte Befragte (23%) sofort impfen lassen, sobald ein Vakzin verfügbar ist. Etwa die Hälfte aller Bundesbürger (47%) würde zumindest nicht länger als drei Monate abwarten wollen, zwei Drittel der Deutschen (66%) planen eine Impfung innerhalb eines Jahres nach der Zulassung und Auslieferung eines Corona-Impfstoffs.

Im internationalen Vergleich ist die generelle Bereitschaft zur Impfung in Indien (87%), China (85%) und Südkorea (83%) am höchsten. Am geringsten ist die Akzeptanz eines Corona-Impfstoffs in Frankreich: 54 Prozent der Befragten würden sich momentan für eine Impfung entscheiden (-5%), fast die Hälfte der Franzosen (46%) lehnt diese Option für sich persönlich ab.

+++ Heil: Corona-Hilfe sollte nicht auf Grundsicherung angerechnet werden +++

Berlin. Hartz-IV-Empfänger sollen keine Geldeinbußen fürchten müssen, wenn sie die aktuellen staatlichen Hilfen im Teil-Lockdown wegen der Corona-Krise in Anspruch nehmen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin, er wolle dafür sorgen, dass die November- und Dezember-Wirtschaftshilfen sowie die sogenannte Überbrückungshilfe 3 nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden. »Das werden wir nun in der Koalition miteinander klären.« Agenturen/nd

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