Verlierer ohne Fehler

Der DFB lässt bei der Entscheidung für Joachim Löw jegliche Transparenz vermissen

  • Jörg Soldwisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch am Tag nach dem Treuebekenntnis tauchte Joachim Löw ab. Dabei hätte der stark kritisierte Bundestrainer allen Grund gehabt, die mehr als nur wohlwollend ausgedrückte Rückendeckung durch das Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in aller Öffentlichkeit auszukosten. Doch Löw wählte nach dem für ihn so erfolgreichen Kurztrip in die Frankfurter DFB-Zentrale wieder den Rückzug statt die Offensive. Womit genau er seinen Job gerettet hat, welche konkreten Konsequenzen er aus dem 0:6-Debakel in Spanien zog, welche Fehler er zugab - die Öffentlichkeit blieb darüber im Dunkeln.

Vielleicht ja auch, weil es die ganz große Aufarbeitung schlichtweg nicht gegeben hat. Die Pressemitteilung, mit der der Deutsche Fußball-Bund am Montagnachmittag dem Bundestrainer eine Jobgarantie aussprach, lässt sich mit einem »Weiter so!« zusammenfassen. Wäre es nach den Fans gegangen, hätte Löw seinen Posten räumen müssen. Nach einer FanQ-Blitzumfrage hätten sich 82,5 Prozent der Befragten einen sofortigen Neubeginn ohne den aktuellen Bundestrainer gewünscht. Lediglich 13,1 Prozent halten die Entscheidung pro Löw für richtig. Nur zwei von Hundert Befragten finden zudem, dass Löw sich in seiner Arbeit treu bleiben könne. Die Mehrheit mit knapp 61 Prozent fordert, er müsse sich sogar »neu erfinden«.

»Blackout«-Theorie überzeugt DFB

»Er muss jetzt aktiver da rausgehen, sich auch öfter bei Spielen sehen lassen, nicht immer nur in Freiburg«, forderte der ehemalige Nationalspieler Dietmar Hamann: »Er muss den Leuten das Gefühl geben, dass er das noch machen will.« Zumindest das DFB-Präsidium scheint diesen Eindruck gewonnen zu haben, die »Blackout«-Theorie zum Debakel in Spanien wird in der Pressemitteilung untermauert: »Ein einzelnes Spiel kann und darf nicht Gradmesser für die grundsätzliche Leistung der Nationalmannschaft und des Bundestrainers sein.« Außerdem bekam Löw auch in seiner umstrittensten Maßnahme einen Freibrief ausgestellt: Er muss keinen der aussortierten Rio-Weltmeister Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng zurückholen - ganz im Gegenteil. Das Präsidium stärkte ihm bezüglich des eingeleiteten Umbruchs auch mit Blick auf die WM 2022 und die Heim-EM 2024 demonstrativ den Rücken. Trotzdem sagte Boateng der Bild: »Ich freue mich, dass Jogi weitermachen darf. Er hat sich dieses Vertrauen in ihn in der Vergangenheit verdient.«

Natürlich gab und gibt es intern auch kritische Stimmen. Zuletzt hatte Weltmeister-Kapitän Philipp Lahm, der als OK-Chef der Heim-EM einen Sitz im Präsidium hat, von Löw gravierende Veränderungen gefordert. Dieser müsse seine »Ansprache anpassen« und eine »Neuerfindung« der Nationalmannschaft einleiten. Davon aber war nach dem Treffen am Montag keine Rede.

Das Medienecho fiel alles andere als schmeichelhaft für den Verband aus: »DFB verliert das Duell mit Joachim Löw« (ARD-Sportschau), »Ein Armutszeugnis für den größten Verband der Welt« (Bild), »Verpasste Chance« (Süddeutsche Zeitung). Dass der Verband zudem weder Löw, DFB-Direktor Oliver Bierhoff noch Präsident Fritz Keller zu Wort kommen ließ, sollte womöglich die Schärfe aus der Angelegenheit nehmen. Doch eine Transparenzoffensive, die der DFB vor Monaten proklamiert hatte, sieht anders aus.SID/nd Kommentar Seite 10

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