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Maduro lockt die Opposition an die Urnen
Venezuelas Präsident bietet im Fall einer Niederlage bei den Parlamentswahlen seinen Rücktritt an
Wenige Tage vor der Wahl geht Nicolás Maduro in die Offensive: «Ich nehme die Herausforderung an», erklärte er auf einer öffentlichen Veranstaltung am vergangenen Dienstag. «Wenn wir die Nationalversammlung verlieren, lege ich die Präsidentschaft nieder.» Damit richtete sich Maduro direkt an die moderat rechte Opposition. Deren Vertreter versuchen seit Wochen, die Wahl am kommenden Sonntag zu einem Referendum über Maduros Amtsführung hochzustilisieren. Ex-Präsidentschaftskandidat Henri Falcón von der Partei «Progressiver Fortschritt» (AP), nahm den Ball umgehend auf. «Wir gehen wählen und besiegen dich», antwortete er in einer kurzen Videobotschaft auf seinem Twitter-Profil. «Und du packst deine Sachen, stehst zu deinem Wort und gehst.»
Damit bekommt die Parlamentswahl in Venezuela einen neuen Dreh. Denn aufgrund des Boykotts von 27 Oppositionsparteien, die alle hinter dem Führungsanspruch des selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidós stehen, war der Verbleib Maduros eigentlich gerade nicht das bestimmende Thema. Die moderat-rechten Kräfte um Falcón, die sich an der Wahl beteiligen, distanzieren sich von Umsturzplänen. Die scheidende US-Regierung hat jedoch bereits klar gemacht, dass sie weiterhin an Guaidó festhalten will. Auch die Europäischen Union (EU), die sich gegen die Entsendung einer Wahlbeobachtermission entschied, versagt der Wahl vorab die Anerkennung, weil die Bedingungen nicht fair seien.
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Hintergrund von Maduros Ankündigung könnte also vor allem sein, die Wahlbeteiligung in die Höhe zu treiben, um die Legitimität des neuen Parlaments zu erhöhen. Bei der Präsidentschaftswahl 2018 ging nicht einmal jeder Zweite ins Wahllokal, dieses Mal könnten es deutlich weniger werden.
20,7 Millionen Wähler*innen sind am kommenden Sonntag dazu aufgerufen, aus etwa 14 400 Kandidat*innen 277 Abgeordnete zu wählen. Im Vergleich zur vorangegangenen Wahl sind das 100 Sitze mehr. Auch wurden die Elemente des Verhältnis- gegenüber dem Mehrheitswahlrecht gestärkt. Die Änderungen gehen auf direkte Verhandlungen zwischen Regierung und moderat-rechter Opposition zurück. Abgestimmt wird elektronisch mit Papierzetteln als Kontrollausdruck, alle Parteien sind in die Überprüfung der Ergebnisse eingebunden. Insgesamt beteiligen sich 107 Parteien, die meisten davon nur auf lokaler Ebene. Neben einigen unabhängigen Gruppierungen tritt die Opposition dabei in regional teilweise unterschiedlichen Bündnissen an. Mehrere Parteien sind allerdings Mogelpackungen. So hatte das Oberste Gericht die Kontrolle über die großen Oppositionsparteien Gerechtigkeit Zuerst (PJ), Demokratische Aktion (AD) und Volkswille (VP) - eigentlich alle im Guaido-Lager - im Juli jeweils dem Minderheitsflügel übertragen. Damit stehen deren Namen auf den Wahlzetteln, sie repräsentieren jedoch etwas anderes als bei der Wahl vor fünf Jahren. Damals hatte die rechte Opposition überraschend eine Zweidrittelmehrheit geholt, die im Zuge eines erbitterten Machtkampfes mit der Regierung jedoch juristisch kassiert wurde. Mit der Verfassunggebenden Versammlung ließ Maduro schließlich ein regierungsnahes Parallelparlament wählen und überstand mehrere Umsturzversuche seitens Juan Guaidós. Dieser setzt nun auf eine Delegitimierung der Parlamentswahl und will zwischen dem 5. und 12. Dezember eine selbst organisierte, digitale «Volksbefragung» über Maduros Regierung durchführen. Tatsächlich aber kämpft Guaidó, der seinen Anspruch auf die Interimspräsidentschaft vom Parlamentsvorsitz ableitet, um sein politisches Überleben. Sollte die Wahlbeteiligung höher als erwartet ausfallen, würde das seine Position innerhalb der Opposition weiter schwächen.
Interessant wird die Wahl nicht zuletzt deshalb, weil die chavistische Linke dieses Mal gespalten ist. Die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV), die gewerkschaftsnahe Partei Heimatland für Alle (PPT) sowie weitere kleine linke Gruppen treten als Wahlbündnis «Revolutionär-Populare Alternative (APR) gegen die regierende Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) an. Der PSUV werfen sie vor, die Kerninhalte chavistischer Politik aus den Augen verloren zu haben und eine privatisierungsfreundliche Politik gegen die Bevölkerung zu betreiben. Der Regierungspartei ist die neue Konkurrenz aus den eigenen Reihen offenbar ein Dorn im Auge. Ähnlich wie bei den großen Parteien der rechten Opposition übertrug das regierungsnah besetzte Oberste Gericht Mitte August auch bei den chavistischen Parteien Tupamaro und PPT die Parteiführung jeweils dem regierungstreuen Flügel. Beide sind nun Teil des Regierungsbündnisses »Patriotischer Pol«. Die APR-Kandidat*innen hingegen treten allesamt auf der Liste der PCV an, die als einzige Partei des alternativen Linksbündnisses auf den Wahlzetteln steht. Während des Wahlkampfes klagten Kandidat*innen der APR vielfach über Behinderung seitens der Regierung. Bei mehreren öffentlichen Debatten im privaten wie staatlichen Fernsehen waren zwar Kandidat*innen der rechten Opposition, nicht aber der neuen linken Alternative eingeladen. PCV-Kandidat Pedro Eusse erklärte in einem Radiointerview, einen derartigen Ausschluss aus den Medien habe die Kommunistische Partei zuletzt »in den 1970er Jahren« erlebt.
Aufgrund des Teilboykotts der Opposition und dem geringen Vertrauen in die Institutionen gilt die Regierungspartei PSUV mit ihrer eingespielten Wahlmaschinerie als klare Favoritin der Parlamentswahlen. Doch ist ungewiss, wie viele Oppositionelle tatsächlich wählen gehen und wie stark die in chavistischen Kreisen verbreitete Unzufriedenheit dem neuen linken Bündnis APR Stimmen einbringen wird. Das neue Parlament, das sich am 5. Januar konstituiert, könnte also deutlich diverser aussehen als erwartet. Die politische Krise im Land kann die Wahl unter den gegebenen Bedingungen aber nicht lösen.
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