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Der Sozialismus der anderen
Meine Sicht: Martin Kröger über Klientel, Ideologie und Populismus in der Coronakrise
Sozialismus ist aktuell eine der Lieblingsschmähungen der rechten Opposition im Abgeordnetenhaus - und zwar von CDU, AfD und FDP gleichermaßen. Kaum eine Debatte im Landesparlament verläuft ohne erregte Ausrufe, mit denen sich - zumeist - Männer aus dem rechten Parteienspektrum künstlich über Klientelpolitik, Ideologie, Populismus oder eben über Sozialismus echauffieren, den die rot-rot-grüne Koalition in Berlin angeblich durchsetzen will.
Unfreiwillig komisch allerdings wird es dann, wenn etwa die FDP-Fraktion plötzlich selbst nicht mehr die »heilenden« Kräfte des Marktes beschwört, sondern staatliche Eingriffe anmahnt. So forderten die Liberalen in einem mittlerweile gelöschten Beitrag auf Twitter »eine zeitlich begrenzte Mietminderung, um drohende Insolvenzen« abzuwenden. Rot-Rot-Grün sei gefordert. Konkret ging es darum, dass der Staat als Vermieter die Mieten eines Großmarktes senken solle, um diesen vor einer Pleite zu bewahren. »Das ist SOZIALISMUS«, schrieb unter anderem Arbeits-Staatssekretär Alexander Fischer (Linke) süffisant in einer Replik.
In der Coronakrise ist diese spezielle Form der Intervention häufig zu beobachten: Wenn es um die eigene Wählerklientel, die eigenen Mitglieder geht, kann die staatliche Unterstützung gerade nicht groß genug sein. Insbesondere wenn Unternehmen gefährdet sind, muss der Staat sofort helfen. Wenn es aber um Hilfen für all jene Prekären in Berlin geht, denen in der Krise das Wasser bis zum Hals steht, die ihren Job verlieren und ihre Miete nicht mehr bezahlen können, dann schwadronieren einige sofort von »der DDR«. Verlogener geht es kaum. Als wenn eine gerechte Verteilung der Güter in der Gesellschaft nicht auch zur Idee vom Sozialstaat bundesrepublikanischer Prägung zählen würde. Aber was wissen die heutige FDP und CDU noch von katholischer Soziallehre und sozialliberalen Traditionen? Richtig: Offenbar gar nichts.
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